Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frag die Toten

Frag die Toten

Titel: Frag die Toten
Autoren: Linwood Barclay
Vom Netzwerk:
Sturm erobert. Sie kam gerade aus Pennys Haus. Diesmal hatte sie ihr erzählt, dass ihre Tochter, hätte sie sie nicht abgetrieben, als Erwachsene in ihrer Ehe sehr unglücklich geworden wäre. Da sah sie, dass ihr rechter Vorderreifen platt war. Das war ihr noch nie passiert. Dass man ihr den Wagen gestohlen hatte, ja, das hatte sie schon erlebt, aber einen Platten? Sie hatte keine Ahnung, ob es ein Reserverad im Kofferraum gab, und selbst wenn, sie hatte keinen Schimmer, wie man einen Reifen wechselte. Sie starrte auf den Reifen wie damals in der Highschool auf die chemischen Formeln an der Tafel. Was dort stand, hätte auch Sanskrit gewesen sein können.
    Sie hatte kein Geld, um sich abschleppen zu lassen. Ja, den Hunderter von Penny, den hatte sie, aber den brauchte sie zum Einkaufen und für die Miete, die längst fällig war. Wahrscheinlich war das der Grund, warum sie in Tränen ausbrach.
    Auf der anderen Straßenseite wurde gerade die morsche Veranda eines der historischen Häuser von Milford renoviert. Einer der Arbeiter, der eben die Bretter für den Boden zuschnitt, erkannte Keishas missliche Lage, schaltete die Säge aus und kam zu ihr herüber.
    Stellte sich als Kirk Nicholson vor.
    Kirk sah im Kofferraum nach, fand zwar kein Reserverad, dafür aber einen Wagenheber, den er benutzte, um den platten Reifen abzumontieren. Er sagte, sein Boss, Glen, sei ein netter Kerl und würde ihn wahrscheinlich früher in die Mittagspause gehen lassen. Er, Kirk, würde den Platten mit seinem Pick-up – wie konnte der so sauber sein, obwohl er ihn für die Arbeit benutzt?, fragte sich Keisha – in den nächsten Firestone-Laden bringen, damit sie sich dort einen neuen Reifen aufziehen lassen konnte. Er kenne da jemanden, der würde ihr einen guten Preis machen, Großhandelspreis. Sollte nicht allzu lang dauern. Dann würde er sie zu ihrem Wagen zurückbringen und den Reifen wieder montieren.
    Und so geschah es.
    Während sie im Reifenladen warteten, erfuhr Keisha, dass Kirks Mutter, die ihn allein aufgezogen hatte, erst vor kurzem an Herzinfarkt gestorben war. Er hatte keine Geschwister. Er erzählte ihr von Glen, seinem Boss, dessen Frau Sheila mit dem Auto tödlich verunglückt war, und der jetzt die gemeinsame Tochter ebenfalls allein aufziehen musste. Dann sprach Kirk über seinen Pick-up. Er hatte ihn zu einem super Preis erstanden, eine Menge Reparaturen daran selbst durchgeführt und sparte jetzt auf erstklassige Felgen.
    Keisha interessierte sich mehr dafür, ob er eine Freundin hatte. Es gelang ihr, diese Frage sehr subtil zu formulieren: »Mag Ihre Freundin Ihren Pick-up?« Er habe zurzeit keine Freundin, antwortete Kirk. Er war geduldig und höflich und versuchte nicht ein einziges Mal, sie anzumachen. Kaum hatte er den neuen Reifen montiert und den Wagenheber wieder im Kofferraum verstaut, platzte Keisha mit einer Einladung zum Abendessen heraus.
    Noch für denselben Abend.
    Er sagte ja, gut.
    Anscheinend mochte Kirk auch Matthew, damals neun, der mit ihnen zusammen die Spaghetti mit Fleischklößchen aß, die Keisha gekocht hatte. Er nahm ihn auf eine Runde in seinem Pick-up mit, und Matthew durfte ihm sogar vorführen, was für ein toller Super-Mario-Spieler er war. Um zehn, als der Kleine zu Bett gegangen war, öffnete Keisha zwei Dosen Bier, setzte sich mit Kirk auf die Couch und sah sich mit ihm eine Folge der Serie mit Charlie Sheen an, in der er gespielt hatte, bevor er überschnappte und rausgeschmissen wurde.
    »Er schläft immer sehr schnell ein«, bemerkte Keisha. »Und wenn er mal schläft, dann schläft er.«
    So
lang war Kirks Leitung dann doch wieder nicht, dass er
diese
Anspielung nicht kapierte. Von da an übernachtete er regelmäßig bei Keisha. Nicht einmal einen Monat später hatte er seine Wohnung aufgegeben und war bei ihr und Matthew eingezogen.
    Es war perfekt. Anfangs. So schön, einen Mann im Haus zu haben, jemanden zu berühren, wenn man im Bett die Hand ausstreckte, sich in der Küche gegenseitig im Weg zu stehen, mit jemandem auf der Couch zu kuscheln und fernzusehen. Keisha wartete, dass er ihr seinen Anteil an der Miete gab. Sie erwartete gar nicht, dass er die Hälfte zahlte. Immerhin hatte sie Matthew. Ein Drittel hätte ihr genügt.
    Nach anderthalb Monaten fasste sie sich schließlich ein Herz und sprach ihn darauf an.
    »Wir haben momentan nicht so viel Arbeit«, sagte er. »Glen hat mich diese Woche nur zweimal gebraucht. Außerdem hab ich euch letzten Freitag Abendessen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher