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Frag die Toten

Frag die Toten

Titel: Frag die Toten
Autoren: Linwood Barclay
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verschrieben hat?«
    »Justin!«, sagte sie. »Wach auf!«
    »Die Dose ist voll«, sagte Dwayne. »Sieht nicht so aus, als ob er welche genommen hätte.«
    Justin regte sich. »Was … was ist denn los?«
    Marcia nahm ihn in die Arme. »Geht’s dir gut? Alles in Ordnung mit dir?«
    Matt sagte er: »Mir geht’s gut. Es tut mir leid, es tut mir leid, Mom. Es tut mir so leid.«
    Dwayne hatte noch etwas auf dem Boden erspäht. Einen Zettel, auf dem etwas geschrieben stand. Er hob ihn auf, las ihn und reichte ihn wortlos Keisha.
    »Ich weiß, ich mache dir nur das Leben schwer, Mom«, stand da. »Vielleicht wird es jetzt besser.«
    »Meine Güte«, flüsterte Keisha. Dwayne schüttelte den Kopf. Er betrachtete die Pillendose in seiner Hand.
    »Himmel, wenn wir ein paar Minuten später gekommen wären …«, flüsterte er zurück.
    »Justin, hör mir zu«, sagte Marcia. »Hast du was genommen? Hast du irgendwelche Tabletten genommen?«
    »Nein, nein, ich hab nur … ich hab nur ein paar Bier getrunken, mehr nicht. Ich wollte sie später nehmen. Vielleicht. Ich weiß nicht. Ich weiß nicht, was ich tun wollte. Tut mir leid, wenn ich dir einen Schrecken eingejagt habe.«
    Marcia klammerte sich an ihn und tätschelte ihm den Kopf. Sie hatte zu schluchzen begonnen. Ehe Dwayne sich zu seiner Frau auf den Boden kniete und sie und seinen Stiefsohn in die Arme schloss, sagte er zu Keisha: »Ich sorge dafür, dass Sie Ihr Geld noch heute Nachmittag bekommen.«
    Keisha Ceylon lächelte bescheiden.
    Das Gesicht in der Halsbeuge seiner Mutter vergraben, die Augen geschlossen, legte Justin zwei kraftlose Arme um seine Mutter und seinen Stiefvater. Doch plötzlich drehte er den Kopf und schlug die Augen auf. Sein Blick fixierte Keisha.
    Dann zwinkerte er ihr zu.
    Und sie zwinkerte zurück.

[home]
    Zwei
    E llie Garfield hatte geträumt, sie sei schon tot. Doch kurz bevor der Traum Wirklichkeit wurde, öffnete sie die Augen.
    Sie bot ihre letzten Kräfte auf, um sich zu bewegen, doch irgendwie war das nicht möglich, etwas hielt sie fest. Matt hob sie eine blutige Hand aus dem Schoß und berührte mit den Fingern den Riemen, der quer über ihre Brust gespannt war, spürte das vertraute, glatte Material. Ein Sicherheitsgurt.
    Sie war in einem Auto. Sie saß auf dem Vordersitz eines Autos.
    Sie sah sich um und stellte fest, dass es ihr eigener Wagen war. Doch sie saß nicht hinter dem Lenkrad. Sie war auf dem Beifahrersitz angeschnallt.
    Sie blinzelte ein paarmal, weil sie dachte, mit ihren Augen sei etwas nicht in Ordnung. Sie konnte nämlich nicht erkennen, was jenseits der Windschutzscheibe war. Da war nichts. Keine Straße. Keine Häuser. Keine Straßenlampen.
    Dann wurde ihr klar, dass mit ihren Augen alles stimmte.
    Da draußen war wirklich nichts. Nur Sterne.
    Sie sah sie am Himmel funkeln. Es war ein schöner Abend. Abgesehen von der Tatsache, dass sie langsam verblutete.
    Es kostete sie große Anstrengung, den Kopf hochzuhalten. Dennoch gelang es ihr, sich umzusehen. Beim Anblick der Leere und Bizarrheit ihrer Umgebung fragte sie sich, ob sie vielleicht tatsächlich schon tot sei. Vielleicht war das der Himmel. Alles wirkte so friedlich. Alles war so weiß. Am Himmel hing eine Mondsichel und beleuchtete die Landschaft, die sich flach und endlos ausbreitete und Ellie eher an eine Mondlandschaft erinnerte als an eine irdische.
    Parkte der Wagen auf einem verschneiten Feld? In der Ferne glaubte sie etwas zu erkennen. Eine dunkle, unregelmäßige Linie. Sie begrenzte die weiße Fläche nach oben hin. Bäume vielleicht? Diese dicke schwarze Kontur sah beinahe aus wie eine … eine Uferlinie.
    »Was?«, murmelte Ellie.
    Allmählich begriff sie, wo sie war. Nein –
begreifen
war nicht das richtige Wort. Ihr wurde allmählich
bewusst,
wo sie war,
begreifen
konnte sie es nicht.
    Sie war auf Eis.
    Der Wagen stand auf einem zugefrorenen Teich. Oder See. Und zwar ziemlich weit draußen, soweit sie das erkennen konnte.
    »Nein, nein, nein, nein, nein«, sagte sie, während sie sich bemühte, ihre Gedanken zu sammeln. Es war die erste Januarwoche. Der Winter hatte lange auf sich warten lassen. Erst vor ein, zwei Wochen, unmittelbar nach Weihnachten, waren die Temperaturen gefallen. Es war zwar kalt genug gewesen, um den See zufrieren zu lassen, aber die Kälte hielt noch nicht lange genug an. Die Eisschicht, die sich bisher gebildet hatte, war bestimmt noch nicht dick genug, um –
    Knacks.
    Sie spürte, wie sich das Vorderteil des Wagens
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