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Fraeulein Jensen und die Liebe

Fraeulein Jensen und die Liebe

Titel: Fraeulein Jensen und die Liebe
Autoren: Anne Hansen
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Stelle steht? In der Hoffnung, dass es unheimlich dynamisch rüberkommt, trete ich von einem Bein aufs andere und immer wieder zurück.
    »Oh hallo«, sage ich überrascht. »Setzen wir uns wieder?« Ich zeige auf einen der Tische. »War es eigentlich Ihre letzte Sitzung für heute?« (Immer diese rhetorischen Fragen, natürlich war es seine letzte Sitzung!) Ich lächle ihn selbstsicher an.
    Alexander Alvaro lacht. »Ich glaube, da kommen noch drei.«
    Ich verschlucke mich am Orangensaft und bekomme einen Hustenanfall. Noch drei??? Was redet er da? Wie meint er das bloß? Zu mir kann er doch offen sein und zugeben, dass die hier alle nur so tun, als ob sie arbeiten.
    Na ja, vielleicht könnte ich ja zur Not noch eine Nacht bleiben und wir bummeln morgen durch die Stadt. Die Jugendherberge hat sicher noch was frei. Mal sehen, ob er überhaupt offen dafür ist.
    »Wohnen Sie denn gerne in Straßburg?«
    »Von ›wohnen‹ kann man eigentlich nicht sprechen. Ich bekomme ja gar nichts von der Stadt mit, wenn ich hier bin. Wir schlafen direkt in der Nähe des Parlaments und arbeiten die ganze Zeit. Sowieso ist dieses ganze Hin und Her zwischen Straßburg und Brüssel total ineffektiv. Das kostet nur Zeit und Geld. Das wird eine wichtige Aufgabe des Parlaments sein, diese Standortfrage noch einmal in Ruhe zu diskutieren.«
    Ich fasse es nicht, er findet Straßburg ineffektiv. Ich freue mich doch schon so darauf, mit meinem kleinen Köfferchen immer hin und her zu reisen.
    »Mögen Sie Straßburg denn gar nicht?« Ich befürchte, dass meine Stimme sich verzweifelt anhört, nahezu flehend.
    »Doch, ich mag Straßburg. Der Süden liegt mir sowieso generell. Ich hasse nämlich den Winter. Wenn ich friere, laufe ich nur auf 70 Prozent. Ich könnte mir auch gut vorstellen, irgendwann einmal auszuwandern.«
    Ich schlucke. So viele Gemeinsamkeiten! Das gibt’s doch gar nicht! Er wird sicher auch meine Mütze im Bett akzeptieren. Nein, besser noch: Wahrscheinlich trägt er selbst auch eine! Ich strahle über das ganze Gesicht. So sicher war ich mir wirklich noch nie, dass es klappen könnte.
    »Haben Sie auch einen Lieblingsort im Süden?« (Wenn er jetzt gleich »Lord Howe Island« vor Australien sagt, schreie ich. Natürlich war ich dort noch nie, aber ich habe einmal eine Reportage darüber auf »VOX« gesehen und bin mir seitdem sicher, dass es mein Lieblingsort werden könnte.)
    Er lächelt. »Wissen Sie, ich bin schon ziemlich viel gereist. Ich war schon in Indien, in Palästina, im Dschungel oder auch in Taiwan.« Ich schmelze dahin. Wir werden auch noch viel reisen, das ist einfach zu schön, um wahr zu sein. »Aber wissen Sie, so richtig zu Hause fühle ich mich nur, wenn ich in Düsseldorf bin.« Düsseldorf? Das ist jetzt aber wirklich ein wenig unglamourös. Ich versuche, mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen.
    »Mögen Sie dann etwa auch Karneval?«
    »Um Gottes willen. Aber ich hatte mal ein witziges Erlebnis mit Karneval. Eine Kollegin hatte mich überredet, zu einem Karnevalsball zu gehen. Ich hatte überhaupt keine Lust, aber ließ mich irgendwie breitschlagen. Und natürlich gehört zu einer Karnevalsparty auch eine Verkleidung, dachte ich. Ich ging als Football-Spieler und meine Kollegin war von oben bis unten Kunstrasen. Als wir dann die Tür zum Saal öffneten, waren wir die Einzigen, die verkleidet waren. Es war wie in einem schlechten Hollywood-Film.« Er lacht. Und ich lache.
    Plötzlich holt Alexander wieder sein Blackberry aus der Hosentasche. »Huch, ich dachte, es hätte geklingelt. Hat es aber gar nicht. So weit ist es also schon mit mir gekommen. Ich höre Geräusche.«
    »Haben Sie Wahnvorstellungen?«
    »Ich würde es eher Sinnestäuschungen nennen.« Wir lachen.
    Doch plötzlich wird er ernst. »Es ist wirklich schwierig, abzuschalten. Wie in einem Computer-Fenster poppt dauernd etwas hoch. Man kommt nie zur Ruhe.«
    Himmel, der Gute ist ja wirklich nicht stresserprobt. Ich meine, er arbeitet beim Europäischen Parlament. Hallo? Gibt es einen entspannteren Job?
    »Wie lange arbeiten Sie denn in der Woche?«
    »Im Schnitt 80 bis 90 Stunden. Ich hätte auch nicht gedacht, dass es so stressig ist.«
    80 bis 90 Stunden??? Ich verschlucke mich am letzten Rest meines Orangensafts. Bevor ich mich und mein Weltbild wieder in geordnete Bahnen bringen kann, sieht Alexander schon wieder auf die Uhr.
    »Nächste Besprechung.« Er zuckt mit den Schultern. »Dauert aber nicht lange. Bin gleich wieder
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