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Fraeulein Jensen und die Liebe

Fraeulein Jensen und die Liebe

Titel: Fraeulein Jensen und die Liebe
Autoren: Anne Hansen
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gut aussehender MTV-Redakteur vorbeischlurfen (ich stelle mir immer vor, dass in New York jeder lässig vor sich hin schlurft) und sich kurz zu ihr auf den Bordstein setzen.
     
    Er: »Hey, was geht?«
    Sie: »Alles bestens, schreibe gerade an einem Portrait über Obama, erscheint nächste Woche in der New York Times . Wollte nur kurz hier am Bordstein mit meinem Pappbecher Pause machen.«
    Er: »Cool. Kommste nachher zur Party auf die Dachterrasse von John?«
    Sie: »Soll das ein Witz sein? Natürlich werde ich da sein!«
     
    Wenn ich mich in Hamburg in meiner Jogginghose auf den Bordstein setzen würde, würde mich wahrscheinlich nach kürzester Zeit der Malteser Hilfsdienst auflesen und fragen, ob man mir irgendwie helfen kann. Darum fühle ich mich in den meisten Momenten auch nicht wie meine siamesische Zwillingsschwester in New York, sondern irgendwie anders. So, wie man sich eben fühlt, wenn man sich abends nicht mehr umziehen muss, weil man ja den Schlafanzug bereits anhat. Eine Mischung aus »Ach, ist das Leben bequem« und »Ich habe vollständig versagt«. Neulich habe ich mir sogar schnell einen dicken Schal um den Hals gewickelt, als nachmittags um drei der Postbote ein Paket abgeben wollte. Nicht, dass der noch denkt, ich bin einfach so zu Hause. Am helllichten Tag. Im Schlafanzug. Ich habe sogar ein wenig gehustet, als ich das Paket mit den Worten »Danke, das ist nett, jetzt muss ich aber schnell wieder ins Bett, auskurieren, Sie wissen schon« entgegennahm.
    Desillusionierung Nummer zwei: Ich schreibe keine preisverdächtigen Reportagen über die Strände dieser Welt. Diese bittere Tatsache wird mir immer wieder schlagartig bewusst, wenn ich für meine Arbeitgeber (eine Lokalzeitung, ein Stadtmagazin und etwas PR, weil es besser bezahlt wird) zu Pressekonferenzen mit den Themen »Bezirksamt Eimsbüttel plant Parkplatzausbau West« oder »Neue Hundesteuer – was steckt wirklich dahinter?« geschickt werde. Mein größter Arbeitgeber allerdings ist derzeit ein Altenheim am Stadtrand von Hamburg. Ich bin für das Verfassen der Broschüren und Flyer zuständig und befasse mich acht Stunden am Tag damit, wie man die Pflegestufe zwei der Öffentlichkeit am besten erklären kann.
    Gott, klingt das alles erbärmlich. Ist es gar nicht. Denn eigentlich geht es mir ziemlich gut. Ich habe keine Gewichtsprobleme, mein Einkommen reicht irgendwie immer gerade so aus und ich bin stolze Besitzerin eines iPhone (der Kauf war ein wichtiger Meilenstein in meinem Leben).
    Es könnte also alles hervorragend sein. Wenn nur ein Lebensbereich ebenfalls im harmonischen Gleichgewicht wäre (so hat das Jürgen Fliege einmal in einer Talkshow ausgedrückt und dabei sehr ernst geschaut, ich fand das sehr schön). Ja, mein Lebensbereich, der wie ein schiefes Bild in der geordneten Nationalgalerie hängt, ist die Liebe. Zwar verliebe ich mich jeden Tag, ach was, stündlich, gefühlte Hunderte Male, aber meistens bleibt es danach bei einem Anruf bei einer Freundin.
    »Ich habe ihn. Meinen Traummann. Ich habe ihn gefunden.«
    »Weiß er schon von seinem Glück?«
    »Nun, um ehrlich zu sein: Nein. Aber das kommt noch.«
    Meistens kommt nach diesem Anruf nichts mehr, denn der Ritter ist bereits über alle Berge geflohen, äh, geritten.
     
    In meinem bisherigen Beziehungsleben habe ich es auf drei Highlights gebracht. Mit meiner Uni-Liebe Stefan (solides Lehramtsstudium, eigentlich perfekter Vater meiner Kinder) machte ich auf dem Höhepunkt unserer Beziehung Urlaub mit seiner Familie. Stefan war ein totaler Familienmensch und mietete sich jeden Sommer mit seiner ganzen Sippschaft (Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Oma) ein Haus in der Toskana, gemeinsame Spielabende auf der Terrasse inklusive. Diesen Sommer war es also so weit: Stefan hatte mich in der Mensa feierlich gefragt, ob ich mit in die Toskana kommen wolle. Für mich kam dieses Angebot einem Heiratsantrag gleich, und ich war sicher, dass er am letzten Urlaubstag im Sonnenuntergang vor mir auf die Knie fallen würde.
    »Ja gerne, im Sommer müsste ich mir noch eine Woche freischaufeln können«, sagte ich möglichst beiläufig. Kurz danach rief ich hysterisch meine Mutter an. »Er hat mir einen Antrag gemacht«, schrie ich in den Hörer. Tatsächlich sprach Stefan am letzten Tag vor unserer Abfahrt zurück nach Deutschland wirklich mit mir. Doch er sagte, dass ihm während der letzten Woche klar geworden sei, dass wir beide wohl doch nicht so gut zusammenpassen
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