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Fraeulein Jensen und die Liebe

Fraeulein Jensen und die Liebe

Titel: Fraeulein Jensen und die Liebe
Autoren: Anne Hansen
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aber nur würdevoll und sagte mit fester Stimme: »Merci.« Dann stellte ich mich selbstbewusst in die Mitte der Eingangshalle. (Es liegt doch nahe, dass die Frau irgendwas wie »Er kommt gleich« oder so gesagt hat.) Mein Gott, bin ich souverän. Ich stehe in der riesigen Halle des Europäischen Parlaments, als hätte ich nie etwas anderes getan. Die Menschen gehen an mir vorbei und beachten mich gar nicht. Ist das nicht wunderbar? Ich falle gar nicht auf. Wahrscheinlich denken sie, dass ich Teil einer internationalen Delegation bin und nur darauf warte, dass es endlich in den Sitzungssaal geht. Ob ich vielleicht auch noch aktiv in die Politik einsteige? Ich meine, Hillary Clinton ist ja auch Politikerin geworden und ihr Mann Bill sitzt jetzt zu Hause rum. Oh Gott, werde ich Alexanders Ämter irgendwann übernehmen?
    Ich kann ihn gleich danach fragen. Denn da kommt er. Auf der gegenüberliegenden Treppe sehe ich ihn lässig herunterspringen. Direkt auf mich zu. Er kommt. Der Mann aus der Brigitte . Der Mann aus meinem Portemonnaie. Du meine Güte, der Mann aus meinem Portemonnaie! Ich spüre, wie mir eine Schweißperle die Stirn herunterläuft. Habe ich sein Foto aus meinem Portemonnaie genommen? Ich glaube nicht. Okay, durchatmen. Er wird es nicht sehen. Auch unter Gewaltandrohung werde ich mein Portemonnaie nicht herausholen. Ich versuche zu lächeln.
    Alexander Nuno Pickart Alvaro kommt näher. Er trägt einen dunkelblauen Anzug und ein hellblaues Hemd. Passt perfekt zusammen. Seine schwarzen Haare sitzen perfekt wie aus einer Werbung für Shampoo. Er lächelt verschmitzt, seine dunklen Augen leuchten und plötzlich steht er vor mir. Himmel, sieht der gut aus. Unverschämt gut. Einfach perfekt.
    »Hannah Jensen?« Er gibt mir die Hand.
    »Ja«, stammle ich und spüre, dass es ein großes Problem zwischen uns gibt. Genauer gesagt: Ich rieche dieses Problem.
    Denn Alexander Nuno Pickart Alvaro riecht gut. Er riecht fantastisch. Er riecht wie der Mann aus der Werbung, dem alle Frauen wie die Ratten von Hameln hinterherrennen, nachdem er ein Deo benutzt hat. Oh Gott, was mach ich bloß? Düfte sind doch so wichtig; wenn es mir schlechtgeht, stelle ich mich manchmal einen ganzen Nachmittag in die Parfümabteilung des Alsterhauses. Dann atme ich tief ein und schon fühle ich mich besser. Himmel, dieser Alexander Alvaro vor mir toppt sogar das Alsterhaus! Ich kann mich nicht konzentrieren. Ich sehe, dass Alexanders Mund auf-und zugeht. Anscheinend spricht er. Ob ich mir während unseres Interviews die Nase zuhalten kann? Ich könnte ja sagen, dass ich eine schlimme Nasenkrankheit habe und diese vor der Luft schützen muss. Ohgottohgottohgott.
    Hannah, reiß dich zusammen, schreie ich mich innerlich an. Du musst Haltung bewahren. Nur dieses eine Mal.
    Ich versuche, mir einzureden, dass Alexander neutral riecht, und folge ihm willig in eine Lounge am hintersten Ende der großen Halle.
    »Kaffee?«, fragt er.
    »Gerne.«
    Alexander bestellt zwei Kaffee (und bezahlt). Wie gut, dass ich mein Portemonnaie nicht herausholen musste!
    Wir sitzen an einem kleinen runden Tisch in der Mitte von vielen anderen kleinen runden Tischen. Rechts von uns gehen zwei Männer einen Stapel Akten durch, auf der anderen Seite unterhalten sich zwei Frauen in einer Sprache, die ich noch nie gehört habe.
    Himmel, wie ich dieses internationale und geschäftige Flair liebe! Vor allem weil man ja weiß, dass die alle nur so tun, als würden sie schrecklich viel arbeiten. Wahrscheinlich haben die Männer neben uns die Akten auch nur als Alibi auf dem Tisch und sprechen eigentlich über ihre neuen Yachten, die sie sich gerade in St. Tropez gekauft haben.
    Ich kichere in mich hinein. So ein Leben ist doch perfekt: Man wirkt auf andere wahnsinnig beschäftigt und macht in Wirklichkeit nichts. Doch, dieses Leben kann ich mir sehr gut vorstellen.
    Und nun: Auf in den Kampf. In die alles entscheidende zehnte Runde.
     

     
    »Wie sind Sie denn zur Politik gekommen?«, frage ich und gebe meiner Stimme den Klang einer hochkarätigen Journalistin: professionell, interessiert und souverän. Am liebsten würde ich natürlich »Sie riechen so gut und sehen so toll aus und sind so sympathisch und ich möchte Sie heiraten« sagen, aber man muss ja nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen.
    »Das war 1991, als der Golfkrieg begann. Zum ersten Mal habe ich selbst direkt einen Krieg wahrgenommen und Angst gehabt. Ich wollte wissen, ob der Krieg sich ausbreitet, was
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