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Fraeulein Jensen und die Liebe

Fraeulein Jensen und die Liebe

Titel: Fraeulein Jensen und die Liebe
Autoren: Anne Hansen
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genau passiert und wie man damit umgeht. Ich bin in eine humanistische Partei eingetreten, so eine linke Weltverbesserergruppe. Aber man hat mich da nur zum Flyer-Verteilen in der Düsseldorfer Altstadt missbraucht.«
    Er lacht.
    »Über einen Freund bin ich dann zu den Jungen Liberalen gekommen.«
    Golfkrieg – daran erinnere ich mich auch noch dunkel. Meine Mutter hatte mir verboten, zum Kindergeburtstag von Ulrike Clausen zu gehen. »Man darf jetzt nicht fröhlich sein«, hatte sie gesagt. Als ich mich trotzig auf das Sofa schmiss und den ganzen Tag bockig Fernsehen guckte, sagte meine Mutter mit trauriger Stimme: »Irgendwann wirst auch du das verstehen.«
    Ob ich Alexander erzählen soll, dass ich auf dem Sofa lag und »Love Boat« gesehen habe, während er in eine humanistische Partei eingetreten ist und die Welt verändern wollte? Um Himmels willen, nein! Außerdem haben wir ja jetzt zusammengefunden. Was zählt da schon die Vergangenheit?!
    »Hat es sich gelohnt, in die Politik zu gehen? Kann man wirklich etwas verändern?« Ich muss unwillkürlich an die Frau denken, die im strömenden Regen Unterschriften für eine Bürgerinitiative gesammelt hat. Und daran, wie ich mich über sie lustig gemacht habe.
    »Auf jeden Fall. Man kann sehr viel bewegen. Gerade hier im Europäischen Parlament. Da werden Gesetze für 500 Millionen Bürger gemacht, das ist schon beeindruckend.«
    »Gibt es auch etwas, was Sie an Politikern kritisieren«? (Himmel, ich bin ja eine richtig seriöse Journalistin!)
    »Klar«, sagt er und lacht. (Wenn er lacht, sieht er toll aus, nur so nebenbei.) »Politiker dürfen sich nicht zu ernst nehmen und auch mal zugeben, wenn sie von etwas keine Ahnung haben.«
    Ob ich zugebe, dass ich von Politik mal so gar keine Ahnung habe? Nein, nicht jetzt. Das kann ich ihm immer noch stecken, wenn wir erst einmal zusammen sind.
    »Und wovon haben Sie keine Ahnung?« Natürlich ist das eine rhetorische Frage. Er weiß sicher alles, seufze ich innerlich und lächle ihn an.
    »Agrarpolitik. Ich weiß nur, wie so ein Feld aussieht.« Er lacht. »Haushalt muss ich auch noch lernen. Und Energiepolitik ...« Er lacht wieder. »Ganz schön viel, oder?« Er zieht eine Augenbraue hoch.
    Ganz schön sympathisch, möchte ich am liebsten sagen und ihn spontan umarmen. Aber halt, Carla Bruni umarmt Nicolas Sarkozy auch nicht in aller Öffentlichkeit. Haltung bewahren, immer Haltung bewahren.
    »Sie haben Jura studiert – warum haben Sie sich nicht für Politikwissenschaften entschieden?« Ob ich jetzt meinen auswendig gelernten Satz »Ein völkerrechtlich verbindliches Instrument wie der Vertrag über die europäische Energiecharta kann einfach nicht funktionieren, da er die Interessen der Exportstaaten nicht berücksichtigt« zum Besten geben soll? Während ich angestrengt überlege, wie ich den am besten einleiten könnte, antwortet Alexander.
    »Ich wollte wissen, warum man etwas darf und warum nicht. Warum darf ich ein Scheißknöllchen bekommen, wenn ich im Halteverbot stehe? Brauche ich einen Kassenbon, wenn ich etwas umtauschen will? Jura ist toll. Man lernt schlichtweg die Spielregeln des Lebens.«
    Dieser Alexander Nuno Pickart Alvaro wird mir immer sympathischer. Das nächste Mal, wenn mir eine H&M-Verkäuferin dumm kommt und etwas nicht zurücknehmen will, werde ich Alexander holen. Er wird dann an der Kasse etliche Paragrafen zitieren und am Ende sagen: »So, und jetzt entschuldigen Sie sich bitte bei meiner Liebsten.« Ach herrlich, wie bei »Pretty Woman«, als Richard Gere in so einer Edelboutique Julia Roberts in Schutz nimmt. Mein Leben nimmt doch noch eine hollywoodreife Wendung, ich wusste es schon immer!
    »Während ich noch zur Schule ging, habe ich nebenbei viel gejobbt. Das hatte noch gar nichts mit Jura zu tun«, erzählt Alexander weiter. »Im Supermarkt zum Beispiel war ich der Chip, bevor er erfunden wurde.«
    Er lacht.
    »Bitte? Wie darf ich das verstehen?«
    Himmel, ich mache mich verdammt gut. Zum ersten Mal habe ich kein stumpfes »Häh???« von mir gegeben, sondern mit einem stilvollen »Wie darf ich das verstehen?« nachgefragt. Vielleicht könnte ich später auch einen Etikette-Ratgeber schreiben. »Die Politikergat tin Hannah Nuno Pickart Alvaro gibt Tipps aus der Welt der Schönen und Reichen.«
    Huch, ich dämmere weg. Ich setze mich wieder aufrecht hin.
    »Na ja, ich habe damals im Supermarkt gejobbt und musste immer die Einkaufswagen suchen und wieder zusammenschieben. Ein
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