Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
For the Win - Roman

For the Win - Roman

Titel: For the Win - Roman
Autoren: Cory Doctorow
Vom Netzwerk:
Wolke aus Fleisch und Klauen und ledrigen Schuppen. Die linke Hälfte seines Kopfs flog auf Wei-Dong zu, prallte von ihm ab und sank in den Sand. Das Wasser färbte sich erst rosa, dann rot, und der Todesschrei des Jabberwock schien durch das Wasser zu wandern und immer wieder über Wei-Dong hinwegzuspülen. Es war ein großartiges Geräusch.
    Seine Gildies drehten fast durch. Siebentausend Meilen entfernt in ihrem Internetcafé in der Jiabin Road in Shenzhen riefen sie wieder und wieder seinen Namen, wie in einem Sprechchor: aber nicht Leonard , sondern Wei-Dong . In seinem Schlafzimmer grinste Wei-Dong mit vor Freude verzerrtem Gesicht und sonnte sich in ihrem Jubel.
    Und als das Wasser sich wieder klärte, lagen da, unschuldig auf dem Meeresgrund, abermals die Vorpal Blade und der Helm unter ihrer Kruste von Entenmuscheln. Der Gweilo – der Gweilo, den hatte er ganz vergessen! – bewegte sich ungeschickt darauf zu.
    »Schlag dir das aus dem Kopf«, sagte Ping in ziemlich gutem Englisch. Sein Charakter bewegte sich so schnell, dass der Gweilo ihn wahrscheinlich gar nicht kommen sah. Pings Schwert machte schnipp und schnapp, und der Kopf des Gweilos fiel mit einem ziemlich blöden, über diesen Verrat verblüfften Gesichtsausdruck in den Sand.
    »Was zum … «
    Wei-Dong blendete ihn aus.
    »Das ist dein Schatz, Bruder«, sagte Ping. »Den hast du dir verdient.«
    »Aber das Geld … «
    »Das können wir auch morgen Nacht verdienen. Das war der Hammer, Alter!« Das war einer von Pings Lieblingssätzen auf Englisch und das höchste Lob in der Gilde. Und Wei-Dong hatte jetzt eine Vorpal Blade und den Helm. Es war ein guter Abend.
    Sie tauchten wieder auf und schwammen zum Ufer. Dort beschworen sie ihre Reittiere und ritten zurück zur Gildenhalle. Den ganzen Weg über unterhielten sie sich angeregt und erledigten gelegentlich ein paar kleinere Gegner. Es machte den Jungs nicht allzu viel aus, 75 Dollar ärmer als erwartet zu sein. Sie waren in erster Linie Spieler, erst in zweiter Linie Geschäftsleute. Und das hatte Spaß gemacht.
    Mittlerweile war es aber 2.30 Uhr. In vier Stunden musste Wei-Dong aufstehen, um zur Schule zu gehen. Und so, wie er sich fühlte, würde er sicher noch lange wach liegen. »Okay, ich melde mich ab«, sagte er in seinem besten Chinesisch. Sie verabschiedeten sich, und der Chatkanal verstummte. In der plötzlichen Stille seines Zimmers konnte er seinen Puls hämmern hören. Und noch etwas anderes – Schritte auf dem Boden vor seiner Tür! Eine Hand auf dem Türknauf …
    Scheißescheißescheiße
    Er schaffte es noch, den Laptop zuzuklappen und die Decke hochzuziehen, ehe die Tür sich öffnete, aber er hielt das Gerät nach wie vor in den Händen, und der finstere Blick seines Vaters verriet ihm, dass er ihn nicht täuschen konnte. Ohne ein Wort durchquerte sein Vater das Zimmer und zupfte vorsichtig den Hörer aus Wei-Dongs Ohr. Der Hörer blinkte in verräterischem Blau: Er suchte nach dem Laptop, der unter Wei-Dongs künstlerisch umgestalteter SpongeBob-Decke schlummerte.
    »Dad … «, setzte er an.
    »Leonard, es ist halb drei in der Nacht. Ich werde das jetzt nicht mit dir diskutieren. Aber morgen früh werden wir uns unterhalten. Und danach wirst du eine ganze Weile Zeit zum Nachdenken haben.« Er riss die Decke zurück und nahm Wei-Dong den Laptop aus der tauben Hand.
    »Dad!«, rief er, doch sein Vater zeigte keine Reaktion, ging hinaus und schlug bestimmt und autoritär die Tür hinter sich zu.
    Mala vermisste das Vogelzwitschern. Auf dem Dorf hatten jeden Morgen Vogelstimmen die absolute Nachtruhe durchbrochen und sie wissen lassen, dass die Sonne aufging und der neue Tag begann. Damals war sie noch ein kleines Mädchen gewesen. Heute war sie vierzehn, und hier in Mumbai gab es bei Sonnenaufgang nur ein paar kränkliche Hahnenschreie, die vom endlosen Lied des Verkehrs fast erstickt wurden: vom Hupen, vom Motorenlärm, von lauten Stimmen.
    Im Dorf hatte es Vogelstimmen, Stille und Frieden gegeben – Zeiten, zu denen nicht jeder seine Augen auf einen hielt. In Mumbai gab es nichts als Menschen, Menschen überall, sodass jeder Atemzug, den man tat, nach der Luft schmeckte, die jemand anderes zuvor ausgeatmet hatte.
    Sie, ihre Mutter und ihr Bruder schliefen gemeinsam in einem winzigen Zimmer über Mr. Kunals Plastik-Recycling-Fabrik in Dharavi, dem riesigen Slumgebiet am Nordende der Stadt. Tagsüber sortierten sie hier Plastikteile in große Wannen. Das Plastik stammte aus
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher