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Flüchtig!

Flüchtig!

Titel: Flüchtig!
Autoren: Jonathan Kellerman
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lähmendem Entsetzen, nicht aus Trotz.
    Einer der Hubschrauber zielte mit einem gebündelten Scheinwerferstrahl auf die Gruppe. Das grelle Licht blendete. Als sich die Sektenmitglieder die Hände vor die Augen hielten, begann die Invasion.
    Scharen von Männern in Kampfjacken und mit Maschinenpistolen in Händen näherten sich von allen Seiten wie Ameisenheere.
    Eine Gruppe tauchte unterhalb des Viadukts auf. Sekunden später war eine zweite Gruppe hinter dem Hauptgebäude und trieb eine Herde von Sektenmitgliedern vor sich her. Eine dritte kam von den Feldern herauf und stürmte die Kirche.
    Ich versuchte mich zu befreien, aber der Schwarzbärtige und der mit den Zahnlücken hielten mich wie unter einem Schock fest. Graffius zeigte auf mich und zitterte wie ein Affe, den man auf Speed gesetzt hat. Er rannte auf mich zu und drohte mir mit der Faust. Ich stieß mit meinem rechten Fuß nach ihm und traf ihn genau in die Mitte der Kniescheibe. Er jaulte auf und begann einen einbeinigen Beschwörungstanz. Die beiden großen Männer schauten sich idiotisch an und wußten nicht, wie sie sich verhalten sollten. Aber schon Sekunden später nahm man ihnen die Entscheidung aus den Händen.
    Wir waren umzingelt. Die Gruppe vom Viadukt hatte einen hermetischen Ring um den Kreis der Sektenmitglieder gebildet. Sie setzte sich aus Beamten verschiedener Dienstbereiche zusammen:
    Agenten von der Rauschgiftfahndung, Männer der Staatspolizei, County-Sheriffs und mindestens ein Kriminalbeamter aus Los Angeles, den ich erkannte. Dennoch funktionierte alles so glatt, als ob es sich um eine gemeinsam trainierte Einheit handelte.
    Ein Beamter mit einem Zapata-Schnurrbart bellte das Kommando »Hinlegen!« Und diesmal leisteten sie ihm augenblicklich Folge. Die beiden großen Männer ließen meine Arme los, als hätten sie einen elektrischen Schlag erhalten. Ich trat zur Seite und beobachtete die weiteren Aktionen.
    Die Sektenmitglieder mußten die Beine spreizen und wurden von den Angreifern sorgfältig durchsucht, jeweils zwei Beamte für einen Gefangenen. Danach legte man ihnen Handfesseln an. Anschließend wurden sie Mann für Mann von ihrer Gruppe getrennt, wie Perlen, die man von der Schnur zieht, und man informierte jeden einzelnen über die ihm zustehenden Rechte. Zuletzt wurden sie mit gezückten Schußwaffen in Haft genommen.
    Abgesehen von Graffius, der schreiend und um sich stoßend weggezerrt wurde, leisteten die Männer und Frauen der Berührungs-Sekte keinen Widerstand. Betäubt von Angst und Verwirrung, gehorchten sie den Anweisungen der Polizei und schlurften als Prozession der Verlorenen in die Gefangenschaft, ein Zug, der abwechselnd von den kreisenden Hubschraubern erhellt wurde.
    Die schwere Tür des Hauptgebäudes öffnete sich und stieß eine zweite Welle von Gefangenen und Wächtern aus. Als letzter kam Matthias, bewacht von mehreren Beamten. Er ging mit hölzernen Bewegungen, und seine Lippen bewegten sich unablässig. Aus der Entfernung sah es aus, als spreche er gerade sein Schlußplädoyer, doch das Geräusch der Hubschrauber erstickte jeden anderen Laut, und es gab niemand, der ihm zugehört hätte.
    Ich sah zu, wie er abgeführt wurde, und als dann auf dem Gelände allmählich Ruhe einkehrte, wurde ich mir wieder der Hitze bewußt. Ich zog meine Jacke aus, warf sie zu Boden und knöpfte gerade mein Hemd auf, als Milo herüberkam, in Begleitung eines Mannes mit Habichtsnase und schwarzen Schatten um Wangen und Kinn. Dieser Mann trug einen grauen Anzug, ein weißes Hemd und eine dunkle Krawatte unter seiner Kampfanzugjacke und bewegte sich mit militärischer Disziplin. Am Vormittag hatte ich ihn als humorlosen, aber äußerst zuverlässigen Beamten kennengelernt: der kalifornische Leiter des Bundesamts für die Bekämpfung des Rauschgifthandels, Severin Fleming.
    »Tolle Schau, Alex.« Mein Freund klopfte mir auf den Rücken.
    »Lassen Sie sich helfen, Doktor«, sagte Fleming und nahm mir den kleinen Sender-Recorder ab, den er mir Stunden zuvor mit Leukoplast auf die Brust geklebt hatte. »Hoffentlich war es nicht allzu unbequem.«
    »Es hat teuflisch gejuckt.«
    »Das tut mir leid. Wahrscheinlich haben Sie eine empfindliche Haut.«
    »Er ist ein empfindlicher Mensch, Sev.«
    Fleming gestattete sich ein Lächeln und konzentrierte sich dann auf das Minigerät.
    »Sieht so aus, als wäre das Ding in Ordnung«, erklärte er und steckte das Gerät in seine Lederhülle. »Der Empfang im Wagen drüben war hervorragend.
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