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Flüchtig!

Flüchtig!

Titel: Flüchtig!
Autoren: Jonathan Kellerman
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und meine Toleranzgrenze für solchen Bockmist ist dementsprechend niedrig wie selten zuvor. Das, was ich in Händen habe, kann warten. Wenn Sie erst darüber nachdenken wollen, bitte sehr. Aber dann müssen Sie pro Tag mit tausend Dollar Verzugszinsen rechnen.«
    »Setzen Sie sich«, sagte er.
    Ich ließ mich ihm gegenüber im Gras nieder, verschränkte die Beine und setzte mich darauf. Der Boden war heiß wie ein Waffeleisen. Das Jucken an Brust und Bauch hatte sich verstärkt. In der Ferne, auf ihrem Hügel, verbeugten sich die Sektenmitglieder.
    Seine Hand, die bisher den Bart gestreichelt hatte, strich jetzt über das Gras.
    »Am Telefon haben Sie von einer beträchtlichen Summe gesprochen«, sagte er.
    »Hundertfünfzigtausend Dollar. Drei Zahlungen von jeweils fünfzigtausend. Die erste heute, die beiden anderen im Abstand von jeweils sechs Monaten.«
    Er bemühte sich sehr um eine amüsierte Haltung.
    »Wieso, um alles in der Welt, nehmen Sie an, daß ich Ihnen soviel Geld bezahlen sollte?«
    »Für Sie ist das ein Trinkgeld. Wenn die Party, die ich vorgestern abend beobachtet habe, für Ihre Sekte typisch ist, dann schaufeln Sie und ihre Zombies sich monatlich mindestens ebensoviel Geld in Form von Kokain in die Nasen.«
    »Wollen Sie damit behaupten, wir benutzen illegale Drogen?« fragte er spöttisch.
    »Gott bewahre! Kein Zweifel, daß Sie das Zeug inzwischen weggeräumt haben, an irgendeinen anderen, sicheren Platz. Einer Polizeikontrolle könnten Sie bestimmt mit Gelassenheit entgegensehen. Genau wie damals, als ich zum ersten Mal hiergewesen ist. Aber ich habe Polaroidfotos von Ihrer Party, die gut in ein Pornomagazin für Altersheime passen würden. All diese verbrauchten Körper, wie sie sich quälen und schinden, dazu Schüsseln voller Schnee und Strohhalme in den Nasenlöchern. Ganz zu schweigen von ein paar sehr deutlichen Fotos, die das Versteck unter ihrem Bücherschrank zeigen.«
    »Fotos von Erwachsenen, die nach freiem Willen Sex betreiben«, rezitierte er, und es klang wie da Plädoyer eines Anwalts, »Schüsseln auf dem Tisch, deren Inhalt nicht festzustellen ist. Und ein paar Plastikbeutel. Das ergibt nicht viel. Bestimmt nichts, was hundertfünfzigtausend Dollar wert wäre.«
    »Und wieviel ist es Ihnen wert, einer Mordanklage zu entgehen?«
    Er verengte die Augen, sein Gesicht nahm plötzlich einen völlig veränderten, wilden und wölfischen Ausdruck an. Er versuchte, mir so lange in die Augen zu sehen, bis ich meinen Blick senkte, doch es gelang ihm nicht. Das Jucken war inzwischen fast unerträglich geworden, und die Konzentration auf diese Visage von ungeschminkter Brutalität bot willkommene Abwechslung.
    »Weiter«, sagte er.
    »Ich habe die Akte dreifach kopiert, einer jeden Kopie ein Blatt mit Erläuterungen beigefügt und sie an getrennten, sicheren Orten hinterlegt. Zusammen mit den Fotos und entsprechenden Anweisungen an mehrere Anwälte für den Fall meines vorzeitigen Ablebens. Bevor ich die Akte kopierte, habe ich sie mehrmals gelesen. Wirklich eine faszinierende Geschichte.«
    Er schaute mich gefaßt an, aber seine rechte Hand verriet ihn. Die knochigen weißen Finger krallten sich in die Erde und rupften eine Handvoll Gras aus.
    »Mit allgemeinen Andeutungen kommen wir nicht weiter«, flüsterte er rauh. »Wenn Sie etwas zu sagen haben, sagen Sie es.«
    »Also schön«, antwortete ich. »Gehen wir zurück, etwas mehr als zwanzig Jahre. In die Zeit, als Sie noch nicht im Traum an diesen Guru-Schwindel dachten. Sie sitzen in Ihrer Kanzlei am Camden Drive. Eine unauffällige kleine Frau namens Emma sitzt Ihnen am Schreibtisch gegenüber. Sie ist den ganzen Weg von einem Kaff namens La Vista nach Beverly Hills gefahren und hat Ihnen hundert Dollar für eine vertrauliche juristische Beratung gezahlt. Viel Geld, damals.
    Emmas Geschichte ist traurig, und Sie halten sie vermutlich für ein drittklassiges Melodrama. Gefangen in einer lieblosen Ehe, hatte sie Trost in den Armen eines anderen Mannes gesucht. Eines Mannes, der sie Dinge fühlen ließ, von denen sie bis dahin nicht einmal geträumt hatte. Die Affäre war himmlisch, eine echte Zuflucht aus ihrem trübseligen Dasein. Doch dann wurde sie von ihrem Liebhaber schwanger. Entsetzt verbarg sie es, solange sie konnte, und als es nicht mehr zu übersehen war, teilte sie ihrem Mann mit, daß es sein Kind sei. Der Betrogene war begeistert, wollte es mit ihr feiern, und als er die Flasche Champagner entkorkte, ist sie vor
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