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Flüchtig!

Flüchtig!

Titel: Flüchtig!
Autoren: Jonathan Kellerman
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färbte.
    »Du hast ihn umgebracht!« kreischte sie, lief auf Houten zu und schlug blindlings auf ihn ein. Er wehrte sie ab, während er den Verwundeten nicht aus den Augen ließ. Sie warf sich gegen ihn. Schließlich schubste er sie so heftig zur Seite, daß sie rückwärts taumelte, das Gleichgewicht verlor und zu Boden fiel.
    Ich rutschte näher zu der Flinte hin. Nona stieß sich hoch.
    »Du dreckige alte Sau!« schrie sie den Sheriff an. »Du solltest uns helfen, und jetzt hast du ihn umgebracht!« Houten schaute mit versteinerter Miene an ihr vorbei. Plötzlich warf sie sich Carmichael vor die Füße. »Nicht sterben, Doug, Bitte. Ich brauche dich so sehr.«
    »Nimm die Flinte!« schrie er.
    Sie schaute ihn verdutzt an, nickte und ging dann auf die Waffe zu. Sie war ihr näher als ich, und außerdem hielt ich den Zeitpunkt für gekommen, mich aus dem Zentrum des Geschehens zu entfernen. Während sie sich bückte, tauchte ich ab, um anschließend davonzuhechten.
    Carmichael sah mich aus den Augenwinkeln, wirbelte herum und holte mit der Axt aus, wollte mich am Arm treffen. Ich zuckte zurück, gerade noch im rechten Augenblick. Er stöhnte vor Schmerzen, seine Wunde begann stärker zu bluten, dann holte er noch einmal aus und verfehlte mich um Zentimeter.
    Houten duckte sich, hielt den 45er mit beiden Händen fest und schoß Carmichael in den Hinterkopf. Das Geschoß trat am Hals heraus. Der blonde Mann schlug sich die Hand vor die Kehle, holte tief Luft, gurgelte und sank zurück.
    Das Mädchen hob die Flinte auf und faßte sie wie ein erfahrener Schütze. Dann starrte sie auf den Körper, der am Boden lag. Carmichaels Glieder zuckten, und sie sah gebannt zu, bis er sich nicht mehr rührte. Ihr Haar hatte sich inzwischen ganz gelöst und wehte in der nächtlichen Brise, ihre Augen waren vor Entsetzen weit aufgerissen und standen voller Tränen.
    Dann wandte sie den Blick von Carmichael ab, richtete die Waffe auch mich, schüttelte den Kopf, drehte sich um und zielte auf den Sheriff.
    »Du bist genau wie die anderen«, hielt sie ihm entgegen.
    Bevor er etwas erwidern konnte, richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Toten und begann auf ihn einzureden, in einer seltsamen Singsang-Sprechweise.
    »Er ist wie die anderen, Doug. Er hat uns nicht geholfen. Er stand nicht auf unserer Seite, wie du vielleicht gedacht hast. Er hat es getan, weil er ein verdammter Feigling ist. Weil er Angst hatte, ich würde seine schmutzigen Geheimnisse verraten.«
    »Still, Mädchen«, warnte der Sheriff. Sie achtete nicht auf ihn.
    »Er hat mit mir gebumst, Doug, genau wie all die anderen dreckigen, ekelhaften Kerle. Als ich noch ein kleines Mädchen war. Nachdem das andere Ungeheuer mich kaputt gemacht hatte. Der Hüter der Gesetzes!«
    Sie lachte höhnisch. »Ich hab’ ihm eine Kostprobe gegeben, und er hat alles aufgeleckt, konnte nicht genug davon kriegen. Mußte es jeden Tag haben. In seinem Haus. In seinem Wagen. Er hat mich abgeholt, wenn ich von der Schule heimgekommen bin, und ist mit mir in die Hügel gefahren, um es mit mir zu treiben. Na, was hältst du jetzt von unserem alten Freund Ray, Doug?«
    Houten brüllte ihr zu, sie solle den Mund halten. Aber seiner Stimme fehlte es an Überzeugungskraft, und er schien zusammenzusacken, sah plötzlich geschrumpft und hilflos aus, trotz der großen Schußwaffe, die er in der Hand hatte.
    Sie sprach weiter auf den Toten ein und schluchzte dazu.
    »Du warst so gut und hast ihm vertraut, Doug… Du hast gedacht, daß er unser Freund ist, daß er hilft, uns zu verstecken, weil er von den Ärzten genausowenig hält wie wir… Aber das war nicht alles. Er hätte uns von einer Minute zur anderen aufgegeben, aber ich habe ihm gedroht, daß ich ihn bloßstelle, wenn er das tut… Daß ich allen erzählte, wie er mit mir gebumst hat. Und wie er mir das Kind gemacht hat.«
    Houten schaute auf seinen Colt. In seinem Kopf entstand ein schrecklicher Gedanke, aber er verscheuchte ihn. »Nona, du willst doch nicht…«
    »Er glaubt, daß er Woodys Daddy ist, weil ich ihm das all die Jahre erzählt habe.« Sie strich über das Gewehr und kicherte. »Und jetzt?
    Vielleicht sage ich die Wahrheit, vielleicht auch nicht. Vielleicht weiß ich es selber nicht einmal. Wir haben nie einen Bluttest machen lassen, um es herauszufinden, was, Ray?«
    »Du bist verrückt«, sagte er. »Du gehörst eingesperrt.« Und zu mir:
    »Sie ist wahnsinnig. Das sehen sie doch, oder?«
    »Wirklich?« Sie krümmte
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