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Flüchtig!

Flüchtig!

Titel: Flüchtig!
Autoren: Jonathan Kellerman
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stabilisieren. Es gibt dafür wirksame Medikamente. Und Sie müssen mit einem Fachmann darüber reden, genau wie Sie jetzt mit mir reden.«
    »Ach, wirklich?« zischte er spöttisch. »Und wenn er ein Arschloch ist wie Sie, einer, dem es nur auf das Geld ankommt? Dann nützt mir das ganze Gerede einen Scheißdreck. Ich sag’ Ihnen, ich kann mich um meine Probleme sehr gut selber kümmern, und kommen Sie mir nicht mit solchen Mist, als ob gerade Sie sagen könnten, wann ich meine Kinder sehen darf und wann nicht.«
    »Dieses Gespräch führt uns nicht weiter.«
    »Da haben Sie hundertprozentig recht, Sie Schädelschrumpfer. Jetzt hören Sie, und hören Sie mir gut zu: Ihr alle werdet es teuer bezahlen, wenn ihr versucht, mich von meinem rechtmäßigen Platz als Vater meiner Kinder zu verdrängen…«
    Er kippte einen Eimer verbaler Jauche aus, und nachdem ich noch ein paar Minuten zugehört hatte, legte ich auf, weil ich es satt hatte, mich beschimpfen zu lassen.
    In der Stille der Küche wurde mir bewußt, daß mein Herz heftig pochte, und ich spürte auch wieder das vertraute Gefühl von Übelkeit in meiner Magengegend. Vielleicht war ich schon zu lange aus dem Beruf und hatte den Anschluß verpaßt - die Fähigkeit des Therapeuten, Abstand zu schaffen zwischen sich und den Leidenden, um nicht selbst hineingerissen zu werden in einen psychologischen Gewittersturm.
    Ich schaute auf den Block, wo ich mir die Namen und Nummern notiert hatte. Raoul Melendez-Lynch. Er wollte vermutlich, daß ich einen Vortrag hielt, für Ärzte und Studenten, über die psychologischen Aspekte chronischer Krankheiten oder die verhaltenstechnischen Möglichkeiten der Schmerzbekämpfung. Irgend etwas Hübsches, Akademisches, das mir gestattete, mich hinter Dias und Videoaufzeichnungen zu verschanzen und wieder den Professor zu spielen.
    In diesem Augenblick eine höchst willkommene Vorstellung… Ich wählte seine Nummer.
    Eine junge Frau meldete sich. Sie schien außer Atem zu sein.
    »Labor für Karzinogenese.«
    »Doktor Melendez-Lynch, bitte.«
    »Er ist nicht hier.«
    »Hier spricht Doktor Delaware. Ich rufe zurück. Er hat diese Nummer bei meinem Auftragsdienst hinterlassen.«
    »Ich glaube, er ist drüben in der Klinik«, sagte sie wie geistesabwesend.
    »Können Sie mich dann mit der Nummer seines Funkrufempfängers verbinden?«
    »Ich weiß nicht, wie das geht - ich meine, ich bin nicht seine Sekretärin, Doktor Delaware. Ich bin mitten in einem Experiment und muß mich beeilen. Okay?«
    »Okay.«
    Ich unterbrach die Verbindung, wählte dann die Vermittlung beim Western Pediatric und ließ ihn über Piepser ausrufen. Fünf Minuten später meldete sich die Vermittlung wieder und teilte mir mit, daß er den Funkruf bisher nicht beantwortet habe. Ich hinterließ meinen Namen und meine Nummer und legte auf; dabei dachte ich, daß sich in all den Jahren offenbar wenig geändert hatte. Die Arbeit mir Raoul war anregend und herausfordernd, aber immer mit einem gesunden Maß an Frustration verbunden. Der Versuch, ihn zu finden, war ungefähr so aussichtsreich, wie wenn man einen Schneemann aus Rasierschaum herstellen wollte.
    Ich ging in die Bibliothek und ließ mich in meinen weichen, bequemen Ledersessel fallen - mit einem Thriller. Gerade als ich das Buch weglegen wollte, weil mir die Handlung allzu konstruiert und die Dialoge zu naßforsch vorkamen, klingelte das Telefon.
    »Hallo.«
    »Hallo, Alex!« Sein starker, südländischer Akzent machte Ahleeex daraus. »Prima, daß du gleich zurückrufst.« Wie immer redete er im Tempo eines Maschinengewehrs.
    »Ich hab’ versucht, dich im Labor zu erreichen, aber das Mädchen, das an den Apparat kam, war alles andere als hilfsbereit.«
    »Mädchen? Ach so, das muß Helen gewesen sein. Meine neue Doktorandin. Brillante junge Lady, kommt von Yale. Wir arbeiten gemeinsam an einer Untersuchung, die den metastatischen Prozeß aufklären soll. Helen hat bei Brewer in New Haven gearbeitet - über die Konstruktion synthetischer Zellwände -, und wir überprüfen derzeit die relative Invasivität verschiedener Tumorformen an spezifischen Modellen.«
    »Hört sich faszinierend an.«
    »Ist es auch.« Er hielt inne. »Und wie geht es dir, mein Freund?«
    »Gut. Und dir?« Er kicherte.
    »Es ist immerhin neun Uhr dreiundvierzig, und ich bin noch lange nicht fertig mit meinen Diagrammen. Das sagt wohl alles darüber, wie es mir geht.«
    »Ach, komm schon, Raoul, du willst es doch gar nicht
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