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Flüchtig!

Flüchtig!

Titel: Flüchtig!
Autoren: Jonathan Kellerman
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nach der Operation meiner zerschmetterten Kieferknochen und all jener unerwünschten Publicity, die damit verbunden war. Sie hatte selbst den Vorschlag gemacht, weil sie fühlte, wie wichtig es war, mir etwas zu geben, was mich beruhigte in dieser Zeit der erzwungenen Untätigkeit, und weil sie wußte, wie tief mich gerade Fernöstliches berührte.
    Zuerst hatte ich den Plan für unausführbar gehalten. Mein Haus ist eines von jenen Phantasiegebilden, wie sie für Südkalifornien typisch sind, ein Terrassenbau, der in einem kaum für möglich gehaltenen Winkel an einem Hang des Beverly Glen klebt. Zweifellos eine architektonische Besonderheit mit atemberaubendem Blick nach drei Seiten, doch mit sehr wenig brauchbarem ebenem Grund, und ich konnte mir nicht vorstellen, wie auf diesem steilen Gelände ein Teich zu realisieren sein sollte.
    Aber Robin hatte sich umgetan, hatte die Idee mit einigen ihrer Freunde besprochen, die über handwerkliches Geschick verfügten, und schließlich Kontakt aufgenommen mit einem jungen Mann aus Oxnard, der äußerlich völlig stumpfsinnig wirkte und kaum den Mund aufbrachte, um auch nur ein paar verständliche Worte zu sagen. Er war eines Tages mit einer Betonmischmaschine, Verschalungsbrettern und ein paar Tonnen Felsblöcken bei mir erschienen und hatte einen eleganten, natürlich geformten Teich samt Wasserfall und Felseneinfassung gestaltet, der sich so an das Gefälle meines Grundstücks schmiegte, als ob er seit eh und je dagewesen wäre.
    Nachdem der Stumme gegangen war, tauchte ein älterer asiatischer Zwerg auf und schmückte das Kunstwerk des jungen Mannes mit Bonsais, Zen-Gras, kleinen Wacholderbüschen, japanischem Ahorn, langstieligen Lilien, Azaleen und Bambussträuchern. Strategisch plazierte Felsblöcke boten Sitzplätze für die Meditation, und einzelne schneeweiße Kiesflecken unterstrichen die gepflegte Heiterkeit des Ganzen. Nach einer Woche sah der Garten aus, als ob er die Schöpfung mehrerer Generationen wäre.
    Ich konnte auf der Terrasse stehen, welche die zwei Ebenen des Hauses miteinander verband, und hinunterschauen auf den Teich, konnte die Muster betrachten, die der Wind auf der Wasseroberfläche entstehen ließ, und die Koi beobachten, die wie lebendige Juwelen mit majestätischer Gelassenheit ihre Bahn zogen. Oder ich konnte hinuntergehen in den Garten und mich an den Rand des Wassers setzen, die Fische füttern und zusehen, wie ihre Mäuler die Oberfläche durchbrachen und das Wasser in konzentrische Kreisbewegungen versetzten.
    Es wurde geradezu ein Ritual: Jeden Tag vor Sonnenuntergang warf ich den Koi Futterkörner zu, setzte mich zu ihnen und dachte darüber nach, wie schön das Leben sein könnte. Ich lernte es, ungewollte Bilder und Gedanken - von Tod, Falschheit und Betrug - zu vertreiben, und das funktionierte schon sehr bald mit der Sicherheit des Pawlowschen Effekts.
    Jetzt lauschte ich auf das Gurgeln des Wasserfalls und verscheuchte die Erinnerung an Richard Moodys Erniedrigung.
    Der Himmel verdunkelte sich, die pfauenbunten Fische wurden grau und verschmolzen schließlich mit der Schwärze des Wassers. Ich saß im Dunkeln, war zufrieden, und meine innere Spannung war nur noch ein besiegter Feind.
    Als das Telefon zum erstenmal klingelte, war ich beim Abendessen. Ich ging nicht an den Apparat. Zwanzig Minuten später klingelte es wieder, und ich nahm den Hörer ab.
    »Doktor Delaware? Hier ist Kathy von Ihrem Auftragsdienst. Ich hatte vor einer Viertelstunde oder so einen dringenden Anruf für Sie, aber niemand ist ans Telefon gegangen.«
    »Was hat man Ihnen hinterlassen, Kathy?«
    »Der Anrufer war ein Mr. Moody. Er meinte, daß es sehr dringend sei.«
    »Scheiße.«
    »Wie bitte, Doktor?«
    »Nichts, Kathy. Bitte geben Sie mir die Nummer, die er hinterlassen hat.«
    Sie tat es, und ich fragte, ob die Stimme von Moody seltsam geklungen habe.
    »Er war irgendwie aufgeregt, ja. Hat ganz schnell gesprochen - ich habe ihn sogar bitten müssen, das Ganze noch einmal langsamer zu wiederholen.«
    »Okay. Danke für den Anruf.«
    »Ich habe noch einen, von heute nachmittag. Darf ich ihn gleich mit durchgeben?«
    »Nur einen? Klar, rücken Sie raus damit.«
    »Das war ein Anruf von einem Doktor - Moment, damit ich es richtig ausspreche: Doktor Melendrez - nein, Melendez-Lynch. Mit Bindestrich.«
    Wenn das keine Stimme aus der Vergangenheit war…
    »Er hat mir folgende Nummer gegeben.« Sie nannte eine Sammelnummer und eine Nebenstelle, die mir
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