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Flüchtig!

Flüchtig!

Titel: Flüchtig!
Autoren: Jonathan Kellerman
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beide durchaus vertraut waren: Melendez-Lynchs Büro beim Western Pediatric Hospital. »Er meinte, er sei bis gegen elf Uhr abends unter der Nummer zu erreichen.«
    Das paßte. Raoul war notorisch arbeitssüchtig in einem Beruf, der berühmt war für dieses Laster. Ich erinnerte mich daran, daß sein Volvo stets auf dem Parkplatz für Ärzte stand, ganz gleich, wie früh oder wie spät ich die Klinik betreten oder verlassen hatte.
    »Ist das alles?«
    »Das ist alles, Doktor D. Schönen Abend noch, und vielen Dank für die Kekse. Ich und die anderen Mädchen hier haben sie in einer Stunde aufgefuttert.«
    »Freut mich, daß sie geschmeckt haben.« Sie sprach von einer Fünfpfunddose. »Freßlust nach den Joints?«
    »Was soll ich jetzt dazu sagen?« kicherte sie.
    Eine Telefonzentrale, besetzt mit lauter Hasch-Miezen, und nie ein Fehler beim Auftragsdienst. Das wäre eine wissenschaftliche Studie wert gewesen.
    Ich trank ein Bier, bevor ich mich mit der Frage befaßte, ob ich Moodys Anruf erwidern sollte oder nicht. Mir die Tiraden eines Manisch-Depressiven anzuhören war so ungefähr das Letzte, was ich mir wünschte. Andererseits konnte er sich ja inzwischen etwas beruhigt haben… Vielleicht war er jetzt empfänglicher für meinen Rat, sich behandeln zu lassen. Unwahrscheinlich, sagte ich mir, aber ich war Therapeut genug, um optimistisch zu sein bis zu einem Punkt jenseits aller Realität. Wenn ich mich an die Rauferei auf dem Parkplatz erinnerte, kam ich mir wie ein Idiot vor, aber ich wußte noch immer nicht, wie ich dem aus dem Weg hätte gehen sollen.
    Ich überlegte noch eine Weile, dann rief ich an, weil ich es den Kindern Moodys schuldig war, nichts unversucht zu lassen, was ihnen helfen konnte.
    Die Nummer, die er meinem Auftragsdienst genannt hatte, wies auf das Sun Valley hin - eine ziemlich wüste Gegend -, und die Stimme am anderen Ende war die des Nachtportiers im Bedabye-Motel. Moody hatte zur Unterstützung seiner Depressionen genau die richtige Unterkunft gefunden.
    »Mr. Moody, bitte.«
    »Sekunde.«
    Es summte und klickte, dann sagte Moody: »Ja?«
    »Mr. Moody, hier spricht Doktor Delaware.«
    »Hallo, Doc. Weiß auch nich’, was in mich gefahren ist, wollte nur sagen, es tut mir leid, und hoffentlich hab’ ich Sie nicht zu sehr durcheinandergeschüttelt.«
    »Mir geht es gut. Und Ihnen?«
    »Ach, gut, gut. Ich hab’ jetzt nachgedacht und Pläne gemacht, wie ich wieder auf die Erde komme. Wenn alle es sagen, muß ja was dahinter sein, oder?«
    »Gut. Ich bin froh, daß Sie das einsehen.«
    »O ja, o ja. Ich schaff das schon, es dauert nur eben ’ne Weile. Als ich zum erstenmal eine Kreissäge gesehen habe, da hat mir der Vorarbeiter gesagt: Richard, hat er gesagt - das war, als ich noch ein Junge war und als Lehrling in meinem Job angefangen habe -, Richard, laß dir Zeit, mach langsam, konzentrier dich, sonst macht das Ding dich fertig. Und er hat seine linke Hand hochgehalten mit einem Stummel, wo der Daumen hätte sein müssen, und hat gesagt: Schau, Richard, ich hab’ es auf die harte Tour gelernt.«
    Er lachte rauh und räusperte sich dann.
    »Ich glaub’, ich lern’ auch manchmal auf die harte Tour, wie? Genau wie bei Darlene. Vielleicht hätt’ ich ihr mal zuhören müssen, bevor sie sich mit diesem Dreckskerl eingelassen hat.«
    Seine Stimme war eine halbe Oktave höher geworden, seit er von Conley sprach, daher versuchte ich, ihn von diesem Thema abzulenken.
    »Wichtig ist, daß Sie jetzt bereit sind, zu lernen. Sie sind noch ein junger Mann, Richard. Sie haben das Leben noch vor sich.«
    »Ja. Aber… Man ist immer so alt, wie man sich fühlt, was? Ich fühle mich wie neunzig.«
    »Natürlich ist das eine schwere Zeit für Sie, aber von nun an kann es nur besser werden.«
    »Das sagen Sie - das hat auch der Anwalt gesagt -, aber ich glaub’ das nicht. Ich fühle, daß da noch viel Scheiße auf mich zukommt, erstklassige Scheiße.«
    Er hielt inne, und ich dachte nicht daran, die Pause zu füllen.
    »Jedenfalls, ich bin froh, daß Sie mir zuhören, und jetzt können Sie auch mit der Richterin reden und ihr sagen, daß ich die Kinder sehen muß und eine Woche mit ihnen zum Fischen gehen darf.«
    Soviel zum Thema Optimismus.
    »Richard, ich bin froh, daß Sie Ihre Situation allmählich einsehen, aber Sie sind noch nicht der Lage, Ihre Kinder zu betreuen.«
    »Und warum nicht, verdammt noch mal?«
    »Sie müssen erst einmal versuchen, Ihre geistige Verfassung einigermaßen zu
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