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Flucht im Mondlicht

Flucht im Mondlicht

Titel: Flucht im Mondlicht
Autoren: N. H. Senzai
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Krümel zu Noor hinüberflogen.
    »Pass doch auf!«, schimpfte sie.
    Er bot ihr sein Stück Kuchen an, um sie zu besänftigen. Sie nickte zustimmend und spießte es mit ihrer Gabel auf.
    W ährend ihres Aufenthalts in Pakistan hatte er versu cht, sich aus dem Haus seiner Tante Nargis wegzuschleichen. Er wollte Mariam suchen, obwohl er nicht so recht wusste, wo. Aber bevor er auf die chaotischen regennassen Straßen von Peschawar hinauskam, fing Noor ihn am Tor ab.
    »Wo willst du hin?«, fragte sie.
    »Ach, nur zum Laden an der Ecke. Ich will, ähm, ein paar Süßigkeiten kaufen«, nuschelte er.
    »Du hast doch gar kein Geld.« Sie hatte natürlich recht.
    »Ich wollte, ähm …«
    »Mach, dass du ins Haus zurückkommst!«, fuhr Noor ihn an. »Ein vermisstes Kind reicht.«
    Sie sah ihn durchdringend an. Er zuckte zusammen. Sie weiß, dass es meine Schuld ist, dass Mariam zurückblieb .

Die Ankunft
    WILLKOMMEN IN SAN FRANCISCO stand auf einer Anzeigetafel in der riesigen internationalen Ankunftshalle. Fadi stand in der Schlange vor der Einreisekontrolle und blickte sich staunend in dem großen Flughafen um. Zwei andere Flugzeuge waren zur selben Zeit gelandet wie ihre Virgin-Atlantic-Maschine. Eine Menschenmenge hatte sich auf dem perlgrauen Teppich versammelt und wartete auf die Überprüfung ihrer Papiere.
    »Los, geh weiter«, forderte Noor Fadi auf und schob ihn vorwärts, als sie an die Reihe kamen.
    »Ihre Papiere bitte«, sagte der Kontrollbeamte. Er trug ein gestärktes weißes Hemd mit einem gestickten Ab­zei­chen auf dem rechten Ärmel.
    »Bitte sehr«, sagte Habib und reichte ihm einen großen Umschlag. Er zwinkerte Fadi zu, als der Beamte die Mappe herauszog.
    »Wie ich sehe, suchen Sie Asyl?«, fragte der Beamte.
    »Ja, Sir.«
    Fadi blickte auf den dicken Stapel Papiere vom General­konsul in Peschawar. Darin stand, was ihnen in Afghanistan widerfahren war und welche Gefahr für Habib bestanden hatte, als die Taliban ihn zwingen wollten, sich ihnen anzuschließen.
    Der Kontrollbeamte tippte mit ernster Miene eine Reih e von Zahlen in seinen Computer. Er schien dafür eine halbe Ewigkeit zu brauchen. Dann nahm er sich die Pässe vor.
    »Was bedeutet das?«, fragte er und zog einen amerikanischen Pass zwischen den anderen hervor. »Sie sind zu viert. Also wer ist diese fünfte Person, Mariam Nurzai?«
    Fadi erstarrte und sah, dass Habibs Finger sich um seine abgewetzte Brieftasche krallten. Sein Vater hatte aus Versehen auch Mariams Papiere vorgelegt.
    Noor verzog missbilligend den Mund, wie so oft.
    »Sie … sie ist unsere jüngste Tochter«, sagte Habib und räusperte sich.
    »Und wo ist sie?«, fragte der Kontrollbeamte. Er spähte über den Rand seines Schreibtischs.
    »Sie ist nicht hier«, erwiderte Habib. »Sie … sie wurde versehentlich in Afghanistan zurückgelassen.«
    »Versehentlich in Afghanistan zurückgelassen?« Der Kontrollbeamte zog fragend seine buschigen blonden Augenbrauen hoch und ließ den Blick über den Rest der Familie schweifen. Seine wachsamen blauen Augen musterten kurz Fadi, der auf seine alten Tennisschuhe hinabblickte.
    »Ja … Sie wurde auf der Flucht durch unglückliche Umstände von uns getrennt«, erklärte Habib mit belegter Stimme. »Aber das amerikanische Konsulat und die Hilfsorganisationen vor Ort suchen nach ihr. Wir hoffen, dass sie bald gefunden wird«, fügte er energischer hinzu.
    D er Blick des Kontrollbeamten wurde milder. »Ich habe selbst drei Töchter. Nicht auszudenken, wenn eine von ihnen ganz allein in einem fernen Land herumirren würde.« Er nickte Safuna zu, die sich die Augen abtupfte. Sie saß in einem Rollstuhl, den die Fluggesellschaft zur Verfügung gestellt hatte. »So Gott will, wird sie bald gefunden werden, Frau Nurzai.« Nach diesen Worten stempelte er kraftvoll die Pässe ab und schickte die Familie weiter.
    Fadi blickte mit trüben Augen den langen Gang hinunter. Vor fünf Jahren flogen wir aus den Vereinigten Staaten nach Afghanistan zurück. Mariam war damals noch so klein, dass sie kaum laufen konnte . Kurz flackerte Wut in ihm auf. Es ist Vaters Schuld. Wir hätten gar nicht erst nach Afghanistan zurückkehren sollen, wenn dort alles so unsicher war .
    »Komm weiter«, sagte Habib und riss Fadi aus seinen Gedanken.
    Sie folgten den Zeichen zur Gepäckausgabe, holten ihre Koffer vom Gepäckkarussell und gingen mit ihnen durch die Zollkontrolle. Dann verließen sie endlich den Sicherheitsbereich durch große Doppeltüren.
    Draußen
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