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Flucht im Mondlicht

Flucht im Mondlicht

Titel: Flucht im Mondlicht
Autoren: N. H. Senzai
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haben gesagt, dass Osama ein guter Freund von Afghanistan ist.« Sie hatte sich aus Kissen eine Festung gebaut und schaute aus einer Lücke hervor. »Er hat gegen die Sowjets gekämpft und uns gerettet.«
    »Oh, Mann«, murmelte Fadi. Mariam nervt .
    Habib lächelte. »Ja, Mariam, Jan . Osama bin Laden half uns im Kampf gegen die Sowjets. Die Vereinigten Staaten unterstützten ihn während dieses Krieges sogar mit Geld. Aber leider nutzt er unsere Freundschaft für seine eigenen Zwecke aus, und die Taliban fühlen sich verpflichtet, ihm zu helfen.«
    »Aber warum?«, fragte Mariam.
    » Melmastia , das im Paschtunwali verankerte Gastrecht, verbietet es uns, einen Gast hinauszuwerfen, dem wir in Freundschaft die Hand gereicht und einen Platz an unserem Tisch gegeben haben.«
    »Oh, Allah sei uns gnädig«, stöhnte Safuna. Sie ließ sich auf einen Stuhl sinken und rang die Hände. » Was sollen wir jetzt tun?«
    »Ich kann die Taliban noch eine Weile hinhalten«, erwiderte Habib. Er fuhr sich mit einer Hand durch das zerzauste Haar. »Ich werde einen Ausweg finden.«
    »Es riecht nach Krieg«, sagte Safuna ahnungsvoll. »Die Nordallianz verbündet rivalisierende Gruppen gegen die Taliban. Schamin erzählte mir die Gerüchte, die er auf dem Markt hörte.«
    Fadi und Noor tauschten besorgte Blicke aus. Die Nord­ allianz wurde von General Achmed Schah Masud angeführt, der einst den Sowjets erfolgreich Widerstand ge­leis­tet hatte. Sie bestand aus nichtpaschtunischen, Farsi sprechenden Gruppen. Viele dieser Gruppen waren untereinander zerstritten und unterstanden korrupten und berüchtigten Kriegsherrn.
    Habib verzog frustriert das Gesicht. »Letztendlich wollen sie alle die Macht für sich selbst«, sagte er ange­widert.
    Anders als seine Brüder, die nach der Highschool zum Militär gegangen waren, hatte er die Universität besucht. Er sah keinen Sinn darin, Kriege zu führen. Gewalt war für ihn kein Weg, Probleme zu lösen. Er hatte immer davon geträumt, Afghanistan wiederaufzubauen und seinen Landsleuten den Frieden zu bringen. Fadi sah die Ernüchterung in den Augen seines Vaters.
    »Also was werden wir tun?«, fragte Noor und blickte von ihrem Vater zu ihrer Mutter.
    »Wir hätten in Madison bleiben sollen«, murmelte Safuna.
    Dieses Argument hatte Fadi schon öfter gehört. Als die Familie noch in den Vereinigten Staaten gelebt hatte, hatte Safuna mit wachsender Sorge die Nachrichten aus Afghanistan verfolgt. Es war im Frühjahr 1996 gewesen. Mariam war damals erst ein Jahr alt. Die Taliban, die sich im Osten Afghanistans formiert hatten, marschierten durch das Land und errangen langsam die Macht.
    »Bist du sicher, dass wir nicht in Amerika bleiben können, Habib?«, hatte Safuna gefragt.
    »Safuna, Jan , mein Studentenvisum läuft in ein paar Monaten aus. Dann müssen wir die Vereinigten Staaten verlassen«, hatte Habib erwidert. »Ich könnte zwar ver­suchen, hier eine Arbeit zu finden – dann könnten wir länger bleiben –, aber meinst du nicht, dass es unsere Pflicht ist, nach Afghanistan zurückzukehren? Wir sind gebildet. Wir können mithelfen, das Land nach so vielen Jahren des Krieges wiederaufzubauen. Ich kann den Bauern helfen, ihre Ernteerträge zu verbessern, sodass weniger Menschen hungern müssen. Und du kannst eine Schule eröffnen, wie du es immer wolltest.«
    Safuna hatte nachdenklich den Mund gespitzt und Habib hatte weiterargumentiert:
    »Erst gestern Abend berichtete CNN über den Besuch der Taliban im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York. Das sind vielversprechende junge Männer – unerfahren natürlich, aber sie stellen in Afghanistan Recht und Ordnung wieder her. Sie entmachten all die korrupten und brutalen Kriegsherrn, die nach dem Abzug der Sowjets die Herrschaft übernahmen. Viele Flüchtlinge kehren bereits zurück.« Dann hatte Habib mit sanfter Stimme hinzugefügt: »In deiner neuen Schule könntest du den Kindern all die guten Bücher nahebringen, die du so liebst.«
    Safuna hatte gelächelt und nachgegeben. Sie wusste, dass ihr Mann ein Idealist war. Am Ende war sie mit seinem Plan einverstanden, auch weil sie ihre Mutter wiedersehen wollte, deren Gesundheitszustand sich in den vergangenen Monaten verschlechtert hatte. So kehrte die Familie nach Kabul zurück, doch in den darauffolgenden Monaten zerstörten die Taliban Habibs Träume. Sie nahmen die Hauptstadt ein und schlossen die Universität von Kabul. Außerdem erließen die jungen Männer mit den
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