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Fluch von Scarborough Fair

Fluch von Scarborough Fair

Titel: Fluch von Scarborough Fair
Autoren: N Werlin
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blickte Soledad ganz benommen und bewegte ihre Lippen. Sie formten nur drei Silben.
    Lucy erhob sich halb vom Stuhl, klammerte sich aber dann mit einer Hand an die Lehne, unfähig sich zu bewegen.
    Davon hätte sie nie zu träumen gewagt.
    » Ich bin deine Schwiegermutter«, fuhr die Stimme etwas verlegen fort. » Das heißt, die andere. Es wäre mir lieber, wenn du so tun würdest, als sähen wir uns heute zum ersten Mal. Davor war ich nicht ich selbst.« Auf einmal hörte man, wie sie tief Luft holte. Dann sagte die Stimme: » Das Baby! Ist das– kann das sein–«
    Drinnen im Esszimmer brachte Soledad jetzt den Namen heraus, wenn auch nur mit Mühe. » Miranda!«
    Aber Lucy war schon losgerannt und stürzte sich in die offenen Arme ihrer Mutter.

Scarborough Fair
oder
Das Versprechen der Liebenden
    [Lucy:]
    Gehst du zum Markt nach Scarborough?
    Petersilie, Salbei, Thymian und Rosmarein.
    Grüß mir einen, der dort wohnt.
    Er wird immer meine wahre Liebe sein.
    Ein Zauberhemd gefertigt ich ihm hab.
    Petersilie, Salbei, Thymian und Rosmarein.
    Ohne Nadel, Saum und Naht.
    Er wird immer meine wahre Liebe sein.
    [Zach:]
    Sie hat für mich gefunden einen Morgen Land.
    Petersilie, Salbei, Thymian und Rosmarein.
    Zwischen Meeresgischt und Meeresstrand.
    Darum soll sie meine wahre Liebe sein.
    Sie hat es gepflügt mit einer Ziege Horn.
    Petersilie, Salbei, Thymian und Rosmarein.
    Und es ganz besät mit einem einzigen Korn.
    Darum soll sie meine wahre Liebe sein,
    Und ihre Tochter soll für immer auch
meine Tochter sein.
    [Zusammen:]
    Gehst du zum Markt nach Scarborough?
    Petersilie, Salbei, Thymian und Rosmarein.
    Grüß uns alle, die dort wohnen.
    Unsere Liebe soll für immer sein.

Anmerkungen der Autorin
    Im Jahr 1997 begann der Roman, für mich Gestalt anzunehmen. Aus bestimmten Gründen, an die ich mich nicht mehr erinnern kann (Hatte ich das Lied im Autoradio gehört? Hatte ich mitgesungen? Woher stammten die Ideen?), dachte ich über den Text der Ballade » Scarborough Fair« nach, die Paul Simon und Art Garfunkel vor dreißig Jahren aufgenommen hatten. Meine älteste Schwester Miriam hatte die Platte oft gespielt, als wir noch Kinder waren. Damals fand ich das Lied wunderschön und traurig und so romantisch. Ich hielt sehr viel von Romanzen und wahrer Liebe, und natürlich weinte ich mich dabei gründlich aus.
    Aber als ich als Erwachsene über den Text der Ballade nachdachte– und mich ganz auf die Worte konzentrierte anstatt auf die herrliche Melodie und Harmonie, oder auf die Stimmung, die die Musik erzeugt–, war ich verwirrt und ein wenig entsetzt: Der Sänger stellt darin der Frau eine unmögliche Aufgabe nach der anderen, und wenn sie sie nicht erfüllt, dann ist sie nicht mehr seine » wahre Liebe«. (Später stellte ich fest, dass ich nicht die Erste war, die sich solche Gedanken über die Ballade gemacht hatte.)
    Es ist wirklich ein ziemlich grausames Lied. Es gibt keine Möglichkeit für die Frau, sich gegenüber dem Mann zu bewähren. Er hat sich bereits entschieden. Ich hörte mir die Ballade noch ein paar Mal an, und dann dachte ich plötzlich: Er hasst sie.
    Ich fragte mich, was sie wohl getan haben mochte, dass sie seine Liebe verlor. Weshalb verachtet er sie? Konnte es ein Missverständnis sein? Oder hatte sie seinen Hass verdient? Hatte sie ihn betrogen? Dahinter verbarg sich eindeutig eine Geschichte.
    Dann schweiften meine Gedanken wieder zu den Einzelheiten des Texts, zu den unmöglichen Aufgaben. Und plötzlich kam mir in den Sinn, dass man ein Hemd » ohne Saum und Naht« (Text von Simon and Garfunkel) wahrscheinlich wirklich herstellen konnte. Chemikalien, dachte ich. Moderne Chemikalien. Konnte man heutzutage nicht einfach ein Hemd aus einem Bottich zaubern, wenn man wollte? Ich war mir nicht sicher, aber ich dachte es mir.
    Wäre es nicht interessant, um den Liedtext herum eine Art Rätsel in Romanform zu konstruieren? Sagen wir mal, aus irgendeinem Grund– ich hatte keine Ahnung, was das für ein Grund sein sollte, aber warum sich gleich zu Anfang darüber Gedanken machen– muss ein Mädchen seine Liebe beweisen, indem es die drei Aufgaben löst. Es sollte ein moderner Schauplatz sein, und meine Heldin sollte sich bei der Lösung der Aufgaben der Technik bedienen. Und ihn überraschen. Es stellt sich heraus, dass er unrecht hat. Aber sie weiß, was wahre Liebe ist. Sie kann ihre Liebe beweisen.
    Das war der Ansatz einer Idee, die ich sehr faszinierend fand. Aber das allein genügte
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