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Fluch von Scarborough Fair

Fluch von Scarborough Fair

Titel: Fluch von Scarborough Fair
Autoren: N Werlin
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folgenden Minuten zog Zach zweimal sein Handy aus der Tasche und prüfte den Empfang. Aber der Sturm hatte sich noch nicht gelegt, und das Handy funktionierte nicht. Soledad und Leo mussten mittlerweile in Kanada sein. Sie waren sicher krank vor Sorge, und vielleicht waren sie schon in der Nähe, aber hilflos. Zach versuchte, seinen Frust zu verbergen. Was nützte einem eine Hebamme als Schwiegermutter, wenn sie nicht da war?
    » Immer noch– nichts?«, keuchte Lucy, als er zum zweiten Mal versuchte, eine Verbindung zu bekommen.
    » Nein.«
    » Oh.«
    Schweigend gingen sie wieder auf und ab. Dann sagte Lucy zwischen zwei Wehen: » Ich habe– einen– Namen– für– das Baby.«
    » Ja? Welchen?«
    » Dawn.«
    » Ah, Dawn. Dawn Greenfield? Klingt vielleicht ein bisschen nach, äh, Landwirtschaft.«
    » Das ist– okay– für mich.«
    » Ein hübscher Name. Okay, also dann, Dawn.« Mit der Zeit gefiel ihm der Name tatsächlich, und er wiederholte ihn noch einmal: » Dawn.« Und dann fragte er ganz spontan: » Wie wär’s mit Dawn Scarborough Greenfield? Also, mir gefällt’s.«
    Einen Moment herrschte Stille. Aber nach zwei, drei Schritten sagte Lucy aufgeregt: » Greenfield. Greenfield! Verstehst du?«
    » Ja«, erwiderte Zach. » Dawn Greenfield.«
    » Gut.«
    Zach musste daran denken, was Lucy über ihr Gespräch mit dem Elfenritter erzählt hatte. Worüber hatten sie gesprochen?
    » Luce«, begann er. » Du hast vorhin gesagt, dass–«
    Lucy fiel ihm ins Wort: » Zach!«
    » Ja?«
    » Jetzt!«
    Es war so weit.
    Das Wort Schmerz hatte für Lucy schon lange keine Bedeutung mehr, und sie konnte jetzt nur noch eines denken: Durchhalten! Bei jeder Wehe hatte sie das Gefühl, jemand würde ihr einen Schlag mit einer Keule versetzen. Halb lag, halb saß sie auf dem Bett, sie hechelte und presste, und manchmal schrie sie sogar. Für sie zählten nur noch die Pausen zwischen den Wehen und dem Pressen. Viel länger durfte es nicht mehr dauern, denn sie hielt es bald nicht mehr aus.
    Manchmal hörte sie Zach so was murmeln wie: » Ich hab sämtliche Bücher darüber gelesen.« Oder: » Ich hab alles im Griff.« Oder: » So was passiert jeden Tag.« Oder: » Du machst das großartig, Luce.« Und immer wieder sagte er: » Vertrau mir. Du kannst mir vertrauen.«
    » Vertraue– dir«, keuchte Lucy, um ihn endlich zum Schweigen zu bringen.
    Wenigstens einer von uns beiden, dachte Zach.
    Endlich– nach einer halben Ewigkeit, wie es schien– rief Zach: » Oh, mein Gott, Lucy! Ich kann schon den Kopf sehen! Immer weiter pressen. Pressen! Pressen! Pressen! Na los! Pressen! Pressen! Pressen! Komm schon! Pressen!«
    Dann presste Lucy ein letztes Mal und spürte den herrlichen Unterschied.
    Sie hörte ihren Mann mit ehrfürchtiger Stimme sagen: » Oh, mein Gott, Luce. Da ist sie. Dawn. Oh, Luce. Sie ist so schön – nein, kein Witz – es ist unglaublich – da ist sie.«
    Das Baby schrie aus Leibeskräften, und das war gut so.
    » Wow«, rief Zach. » Wow. Diese Füßchen!« Und in der nächsten Sekunde fragte er: » Luce? Geht es dir gut?«
    Er hielt das Baby im Arm– ihr Baby, Dawn– und sah sie halb erleichtert, halb besorgt an.
    Lucy lächelte. Sie wusste genau, was er sie eigentlich fragen wollte. War sie doch verrückt? Sie warf einen Blick auf ihren Mann und auf Dawn, und schließlich bekam sie wieder genug Luft, um zusammenhängend sprechen zu können. » Ja, ich glaub schon. Ich meine, ich bin nicht verrückt. Jedenfalls noch nicht.« Sie machte eine kurze Pause. » Pass auf, Zach. Die Nachgeburt. Schneid die Nabelschnur durch.«
    » Ja, ich weiß. Ich erinnere mich«, sagte Zach und war auf einmal ganz ruhig. » Ich hab alles im Griff. Jetzt wird alles gut. Du bist doch okay, Luce, oder? Sag es noch mal.«
    Lucy brauchte eine Weile, um sich zu sammeln, um zu begreifen, dass sie keine Wehen mehr hatte, dass das Baby in Sicherheit war, dass sie noch logisch und rational denken konnte und wusste, wer und wo sie war, und was getan werden musste. Sie fühlte sich zwar schrecklich, aber nur körperlich.
    » Ich bin wirklich okay. Ich bin zwar halb tot, aber ansonsten geht es mir gut. Und ich glaube– ich glaube, alles wird gut. Du weißt, was ich meine.« Sie wollte weder den Elfenritter noch den Fluch erwähnen.
    » Ja? Ist wirklich alles okay?« Auch Zach vermied es, bestimmte Dinge auszusprechen.
    » Ja. Zumindest glaube ich es.«
    » Du hast es geschafft«, meinte Zach. » Du hast alles geschafft.«
    »
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