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Fluch, Der: Roman

Fluch, Der: Roman

Titel: Fluch, Der: Roman
Autoren: Stephen King
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sehe.«
    Könnte ihm allerdings ein Stück von der Torte anbieten, dachte er insgeheim und lachte.
    »Darf ich mitlachen?« Sie lächelte ihm unsicher zu.
    »Ach, es ist nichts. Das Problem war jedenfalls, daß Houston und die drei Typen aus der Glassman-Klinik – und auch du, Heidi –, daß ihr versucht habt, mir die Wahrheit aufzuzwingen. Ich mußte ganz von allein darauf kommen.
    Eine simple Schuldreaktion plus - wie ich annehme - eine Kombination aus Verfolgungswahn und grandioser Selbsttäuschung. Aber letzten Endes hatte ich auch recht, Heidi!
    Ich hatte gesagt, daß ich ihn wiedersehen müsse, und das hat dann letztendlich den Umschwung bewirkt. Nur eben nicht auf die Weise, die ich erwartet hatte. Er war kleiner, als ich ihn in Erinnerung hatte. Er hatte eine billige Timex am Handgelenk und einen entsetzlichen Brooklyn-Akzent.
    Er sagte zum Beispiel ›Fluich‹ statt ›Fluch‹. Das war's, glaube ich, was mich mehr als alles andere enttäuscht hat. Es hörte sich so an wie Tony Curtis in diesem Film über das arabische Empire: ›Yondah ist mein Vater sein Palast.‹ Ja, und danach bin ich gleich ans Telefon und ...«
    Die Uhr auf dem Kaminsims im Wohnzimmer schlug klangvoll.
    »Oh, es ist schon zwölf«, unterbrach er sich. »Laß uns zu Bett gehen. Ich helf dir noch schnell, das Geschirr in die Spüle zu stellen.«
    »Laß nur, das mach ich schon allein.« Sie stand auf und legte die Arme um ihn. »Ich bin so froh, daß du wieder zu Hause bist, Billy. Geh schon mal rauf. Du mußt ja hundemüde sein.«
    »Mir geht's gut«, sagte er. »Ich will nur ...«
    Plötzlich schnippte er mit den Fingern und setzte die Miene eines Mannes auf, dem gerade etwas Wichtiges eingefallen war.
    »Fast hätt ich's vergessen. Ich hab noch was im Wagen liegen.«
    »Was ist es denn? Kann das nicht bis morgen warten?«
    »Klar, aber ich möchte es trotzdem noch schnell reinholen.« Er lächelte ihr aufmunternd zu. »Es ist für dich.«
    Als er über den Rasen ging, klopfte sein Herz stürmisch. In der Aufregung ließ er die Schlüssel fallen und stieß sich den Kopf am Kotflügel, als er sich hastig bückte, um sie aufzuheben. Seine Hände zitterten so sehr, daß er erst beim dritten Versuch das Schlüsselloch traf.
    Was, wenn sie sich immer noch so schrecklich auf-und abbewegt? dachte er verzweifelt. Wenn sie das sieht, wird sie schreiend wegrennen.
    Er schlug den Kofferraumdeckel hoch und schrie nun selbst fast, als er nur den Wagenheber und das Reserverad fand. Dann fiel es ihm wieder ein – er hatte sie ja auf dem Beifahrersitz abgestellt. Er knallte den Deckel zu und ging eilig um den Wagen herum. Die Torte war noch da, und ihre Krustenoberfläche war vollkommen still. Im Grunde hatte er gewußt, daß es so sein würde.
    Heidi stand wieder auf der Veranda und beobachtete ihn.
    Er lief über den Rasen und legte ihr das Geschenk in die Hände. Jetzt lächelte er wieder. Ich liefere die Ware ab, dachte er. Denn die Ware abzuliefern, war eins von den vielen Dingen, worauf es auch ankam. Sein Lächeln wurde breiter.
    »Voilä«, sagte er.
    »Billy!« Sie beugte sich mit der Nase über die Torte und roch daran. »Erdbeeren ... meine Lieblingstorte!«
    »Ich weiß.« Billy lächelte weiter.
    »Und noch warm! Vielen Dank!«
    »Ich bin in Stratford vom Turnpike abgebogen, um zu tanken«, erklärte er. »Die Tankstelle lag gleich neben der Kirche, und der städtische Frauenverein oder was weiß ich hatte da gerade einen großen Kuchenverkauf ... und da dachte ich mir ... ich meine, falls du mich mit dem Nudelholz an der Haustür empfangen hättest ... bringe ihr doch ein Friedensangebot mit.«
    »Oh, Billy ...« Sie fing schon wieder an zu heulen. Impulsiv umarmte sie ihn mit einem Arm, während sie die Torte gewandt wie ein Kellner in der anderen balancierte. Als sie ihn küßte, rutschte die Torte gefährlich zum Rand der Platte.
    Billys Herz machte einen Satz und begann, rasend zu schlagen.
    »Vorsicht!« rief er und erwischte sie gerade noch, bevor sie runterfiel.
    »Gott, was bin ich ungeschickt«, lachte sie und wischte sich mit dem Zipfel ihrer Schürze, die sie zum Abspülen umgebunden hatte, die Augen aus. »Du bringst mir meine Lieblingstorte mit, und ich lasse sie auch noch fa ... fa ... fa ...«
    Sie verlor völlig die Fassung und lehnte sich schluchzend an ihn. Mit einer Hand strich er ihr über das kurzgeschnittene Haar, mit der anderen hielt er die Tortenplatte in sicherem Abstand, für den Fall, daß sie noch
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