Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fluch, Der: Roman

Fluch, Der: Roman

Titel: Fluch, Der: Roman
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
seine Haustür in Fairview zu treten, log: »Es wird wohl noch ein oder zwei Wochen dauern, Liebling. Ich will erst noch ein paar Pfund ansetzen. Ich sehe immer noch ziemlich abscheulich aus.«
    »Oh.« Das klang enttäuscht. »Na ja, ist schon gut.«
    »Aber wenn ich komme, rufe ich dich früh genug an, daß du mindestens sechs Stunden vor mir da sein kannst«, trö-
    stete er sie. »Du kannst mir eine Lasagne kochen, so wie damals, als wir aus Mohonk zurückgekommen sind, und mich wieder ein bißchen aufpäppeln.«
    »Ach, Scheiße«, sagte sie lustlos, und dann lachend:
    »Uups! Entschuldige, Daddy.«
    »Schon vergessen. Bleib du solange bei deiner Tante, Kätzchen. Ich will nicht, daß du dich noch weiter mit deiner Mutter zankst.«
    »Ich hab' sowieso keine Lust, nach Hause zu fahren, solange du nicht da bist.« Er hörte eine neue Festigkeit in ihrer Stimme. Hatte Heidi diese erwachsene Bestimmtheit an ihrer Tochter auch gespürt? Er nahm es an – das erklärte zum Teil ihre Verzweiflung beim gestrigen Telefongespräch.
    Er sagte Linda noch, daß er sie lieb habe, und legte auf.
    Der Schlaf kam in dieser Nacht leichter, aber seine Träume blieben schlecht. In einem hörte er Ginelli im Kofferraum des Nova brüllen, man solle ihn endlich rauslassen. Doch als er den Deckel öffnete, fand er nicht Ginelli, sondern einen blutigen nackten Säugling, einen Jungen, mit den al-terslosen Augen von Taduz Lemke und einem funkelnden Goldreifen im Ohrläppchen. Der Junge streckte seine blutbefleckten Hände nach ihm aus und lächelte. Seine Zähne waren silberne Stahlnadeln.
    »Purpurfargade ansiktet«, wieherte er mit unmenschlicher Stimme, und Billy war zitternd in der kühlen, grauen Morgendämmerung der Atlantikküste aus dem Schlaf hochgefahren.
    Zwanzig Minuten später hatte er seine Motelrechnung bezahlt und befand sich in Richtung Süden auf der Autobahn.
    Um viertel vor acht hatte er angehalten, um ein riesiges Bauernfrühstück zu sich zu nehmen, hatte dann aber kaum etwas davon essen können, nachdem er die Zeitung aufgeschlagen hatte, die er kurz vorher am Kiosk vor dem Restaurant gekauft hatte.
    Hat mir jedoch nicht den Appetit aufs Mittagessen verdorben, dachte er jetzt, als er zum Wagen zurückging. Denn wieder zuzunehmen, ist auch etwas, worauf es wirklich ankommt.
    Die Torte stand neben ihm auf dem Beifahrersitz, warm und atmend. Er schenkte ihr keinen Blick, sondern steckte umgehend den Schlüssel ins Zündschloß und fuhr rückwärts aus der schrägen Parklücke heraus. Als ihm klar wurde, daß er in weniger als einer Stunde zu Hause sein würde, überfiel ihn eine seltsame Anspannung. Er war schon zwanzig Meilen gefahren, bis er herausfand, was der Grund war: Aufregung.

27. Kapitel: Zigeunertorte
    Er parkte den Wagen in der Auffahrt hinter seinem eigenen Buick, langte nach seiner Reisetasche, das einzige Gepäckstück, das er mitgenommen hatte, und ging über den Rasen. Das weiße Haus mit den hellgrünen Fensterläden, das für ihn bis jetzt immer ein Symbol für Gemütlichkeit, Geborgenheit und Sicherheit gewesen war, kam ihm jetzt fremd vor – so fremd, daß es nichts Vertrautes mehr an sich hatte.
    Hier hat der weiße Mann aus der Stadt gewohnt, dachte er.
    Aber ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich der ist, der jetzt endlich nach Hause kommt – der Kerl, der hier gerade über den Rasen geht, scheint mir eher ein Zigeuner zu sein – ein sehr dünner Zigeuner.
    Die von zwei schlanken elektrischen Fackeln eingerahmte Haustür öffnete sich, und Heidi trat auf die Veranda. Sie hatte einen roten Rock und eine ärmellose Bluse an, die Billy noch nie zuvor an ihr gesehen hatte. Außerdem hatte sie sich die Haare ganz kurz schneiden lassen, und eine Schocksekunde lang glaubte er, daß es gar nicht Heidi sei, sondern eine fremde Frau, die ihr nur außerordentlich ähnlich sah.
    Sie blickte ihm mit blassem Gesicht und verschatteten Augen entgegen. Ihre Lippen zitterten.
    »Billy?«
    »Ja. Ich bin's«, sagte er und blieb stehen.
    Sie standen sich gegenüber und sahen sich an. Heidis Gesicht strahlte eine Art jammervolle Hoffnung aus. Billy hatte keinen Funken von Gefühl, aber sein Gesicht mußte doch etwas ausgedrückt haben, denn sie brach sofort in Schluchzen aus.
    »Um Himmels willen, Billy, sieh mich nicht so an! Das kann ich nicht ertragen!«
    Er spürte, wie ein Lächeln sich auf seinem Gesicht breit machte - innerlich fühlte es sich an wie etwas Totes, das auf der Oberfläche eines stillen,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher