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Flitterwochen

Flitterwochen

Titel: Flitterwochen
Autoren: Anne Hertz
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sich natürlich alle wundern. Jan wird sicher ein paar Monate verstreichen lassen, bis er mit der Nachricht von unserer überraschenden Trennung um die Ecke kommt. Jetzt, wo seine Mutter auch in Kolberg wohnt, dürfte sein fröhliches Singleleben in Stettin ja nicht weiter auffallen.
    Der Gedanke, dass Jan ebendieses Leben führt, versetzt mir einen Stich. Mist. Wenn Albert mich nicht auf Alexander angesprochen hätte, hätte ich vielleicht nicht angefangen, wieder an Jan zu denken. Nun fühle ich mich noch einsamer. Falls das überhaupt möglich ist. Sozusagen
einsamererer.
    Albert räuspert sich. »Du, ich geh dann mal wieder rein.«
    Klar, gibt wahrscheinlich Besseres, als hier von der Gastgeberin angeschwiegen zu werden. Sehr unhöflich von mir, aber zu Smalltalk kann ich mich momentan einfach nicht aufraffen. Wie bin ich bloß auf die Idee gekommen, in dieser Verfassung eine Party zu feiern?
    Kaum ist Albert wieder nach drinnen gegangen, gesellt sich Svea zu mir.
    »Komm, Süße, ich hab dir noch was zu trinken mitgebracht. Du siehst leider aus, als würdest du es brauchen.«
    Tatsächlich habe ich meine Flasche schon ausgetrunken. Wer Sorgen hat, hat auch Likör. Oder eben Jever. Ich nehme Svea die neue Flasche ab.
    »Tut mir leid. Warum muss ich gerade heute so schlecht drauf sein? Ist mir total peinlich vor meinen Gästen.«
    »Ach, keine Sorge. Die meisten merken das doch gar nicht. Jetzt trinkst du einfach noch drei bis fünfzehn Bier, dann geht es dir bestimmt besser.«
    »Alkohol ist keine Lösung.«
    »Wasser aber auch nicht.«
    Wir prosten uns zu und setzen uns auf die beiden Stühle.
    »Hat er sich immer noch nicht gemeldet?«
    Ich schüttle den Kopf. »Nein. Da kommt wohl auch nichts mehr. Ist ja schon sechs Wochen her, dass ich ihm geschrieben habe.«
    »Hm. Was genau hast du denn geschrieben?«
    »Na, dass die Woche in Polen mit ihm sehr schön war.«
    »Und dass du ihn vermisst, oder?«
    »Na ja, das bedeutet es doch.«
    Svea verzieht den Mund. »Hallo? Der Typ ist ein Mann! Mit der Metaebene kommst du da nicht weit. Soll das heißen, du hast ihm gar nicht geschrieben, dass du ihn wiedersehen willst?«
    »Na ja, nicht so direkt.«
    »Himmel – warum denn nicht?«
    »Wenn er mich auch so vermisst wie ich ihn, dann kann er da doch von allein draufkommen.«
    »Ja, oder er denkt, du wolltest ihm einen netten Abschiedsbrief schreiben. Und dass du dich von Alex getrennt hast – weiß er das denn jetzt?«
    »Das fand ich nun zu platt. Das kann ich doch nicht einfach so schreiben. Dann denkt der doch, ich will was von ihm.«
    »Ah, Tine!!!« Mit einem Schrei springt Svea auf. »Du willst ja auch was von ihm! Das darfst du ruhig zugeben, auch wenn du eine Frau bist, du dumme Nuss!«
    »Aber ich …«
    »Kein Aber! Wahrscheinlich sitzt Jan ganz traurig in Polen. Und dann schreibst du ihm – aber nur, dass die Woche schön war. Nicht mehr. Also denkt er natürlich nach wie vor, dass du mit Alexander zusammen bist. Wie soll der arme Mann denn da wissen, was du von ihm willst?«
    Schulterzucken meinerseits.
    »Du schreibst ihm jetzt sofort noch mal! Warte, ich hole Papier von drinnen. Und dann bringe ich den Brief zum nächsten Briefkasten.«
    Sie stürmt vom Balkon und kehrt nach ungefähr dreißig Sekunden mit einem Zettel und einem Stift wieder.
    »So, bitte sehr. Und jetzt schreibst du Folgendes:
Lieber Jan, ich vermisse Dich wahnsinnig. Von Alexander habe ich mich getrennt. Bitte melde Dich bei mir. Alles Liebe, Deine Tine.
«
    »Das kann ich nicht, das ist so direkt!«, beschwere ich mich.
    »Ich wiederhole mich: Du schreibst an einen Mann. Bitte keine Botschaften, die man nur zwischen den Zeilen findet. Los. Schreib!«
    Ich seufze, dann fange ich tatsächlich an zu schreiben. Als ich fertig bin, reißt mir Svea den Brief regelrecht aus den Händen.
    »Hast du einen Umschlag und Briefmarken?«
    »Keine Ahnung, irgendwo bestimmt. Das kann ich aber auch noch morgen erledigen.«
    »Nee, das machen wir jetzt. Sonst wird das doch wieder nichts. Also, hol mal den Umschlag.«
    Wenn Svea so ist, ist sie durch nichts zu bremsen. Ich gehe also rein und mache mich auf die Suche. Auf meinem Schreibtisch werde ich schneller fündig als erwartet. Hätte ich nicht schon drei Bier getrunken, würde ich mich auf diese Geschichte niemals einlassen. Aber so stecke ich brav den Brief in den Umschlag und adressiere ihn. Die Adresse von Jan kann ich auswendig, so oft habe ich sie mir angeschaut, bevor ich den letzten
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