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Flitterwochen

Flitterwochen

Titel: Flitterwochen
Autoren: Anne Hertz
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geführt. Um das zu erkennen.«
    Ich schnaube geräuschvoll in mein Taschentuch, damit ich nichts sagen muss. Aber wirklich unrecht hat Oma Gerda nicht. Ohne ihr komisches Schicksal wäre ich jetzt zwar Frau Weltenstein … aber in ein paar Jahren wäre ich wahrscheinlich die geschiedene Frau Weltenstein. Wie hätte das auch gut gehen sollen mit Alexander und mir? Der erfolgreiche Banker mit seinem Jetset-Leben und die kleine Lehrerin, die mit ihren bescheidenen Hobbys von seinen reichen Freunden und der snobistischen Familie belächelt wird. Ich trompete noch einmal herzhaft in das mittlerweile recht zerfledderte Tempo und nicke genauso bedächtig wie Gerda. Aber Oma ist noch längst nicht fertig mit mir.
    »Was ist denn nun eigentlich mit Jan, Kindchen?«
    »Wieso? Was soll mit Jan sein?«
    »Wann seht ihr euch denn wieder?«
    »Wir sehen uns nicht wieder. Dafür gibt es ja auch gar keinen Grund.«
    »Sooo?« Oma zieht die Augenbrauen bis zum Anschlag hoch und guckt jetzt ziemlich streng. Ich versuche mich mit einem erneuten Trompetenstoß zu retten, aber so leicht macht sie es mir nicht: »Tine, ich habe zwar manchmal meine Aussetzer, bin aber sonst noch ziemlich klar im Kopf. Vor allem funktionieren meine Augen noch ganz ausgezeichnet. Und die haben da etwas anderes beobachtet!«
    »Was denn?«
    »Jetzt tu mal nicht so. Das muss dir doch nicht peinlich sein! Du hast dich in Jan verliebt, so einfach ist das.«
    »Ach, Oma«, seufze ich. »Selbst wenn du recht hast, dann mag das ja vieles sein, aber
einfach
ist es nun wirklich nicht! Wie soll das denn funktionieren mit Jan und mir? Ich lebe in Lübeck, er in Stettin. Und ich spreche kein Wort Polnisch.«
    »Na und? Sprachen kann man doch lernen. Du tust gerade so, als käme Jan aus den unwirtlichen Gegenden des Himalaya.«
    »Trotzdem, nur weil wir uns mal eine Woche ganz gut verstanden haben, heißt das doch noch lange nicht, dass wir auch im stinknormalen Alltag miteinander klarkommen. Im Grunde genommen kenne ich Jan doch überhaupt nicht. Vielleicht haben wir uns auch nur so gut verstanden, weil wir in einer Extremsituation waren. So ähnlich wie beim Stockholm-Syndrom, weißt du? Wo sich die Geisel in den Entführer verliebt?« Wobei mir nicht ganz klar ist, wer hier die Geisel ist und wer der Entführer.
    »Meine Güte!« Oma Gerda haut so resolut auf den Tisch, dass mein angeknabbertes Brötchen einen erschreckten Hopser macht. »So einen ausgemachten Unsinn habe ich lange nicht mehr gehört! Stockholm-Syndrom! Du hast dich in Jan verliebt. Und er sich in dich. Punkt. Das sieht doch ein Blinder mit Krückstock. Und wenn da nicht wahre Gefühle zwischen euch gewesen wären, dann hätte Jans Familie euch die Geschichte mit der Hochzeit doch gar nicht abgenommen. Das sah nicht nur echt aus, das fühlte sich auch echt an. Ich bin mir ganz sicher.«
    »Wirklich? Jan ist verliebt in mich?« Jetzt macht mein Herz einen kleinen Hopser.
    »Natürlich, Kindchen. Das war ja nun wirklich nicht zu übersehen. Regelrecht angehimmelt hat er dich. Und du ihn!«
    »Oh …« Dass das so offensichtlich war, ist mir nun doch ein wenig unangenehm.
    »Tine, hör auf dein Herz. Schau mal, es ist doch ganz einfach: Jedes Töpfchen hat sein Deckelchen. Und dein Deckelchen scheint Jan zu sein.«
    »Wie war das eigentlich damals bei dir und Heinzi? Wann wusstest du denn, dass er der Richtige für dich ist?«
    »Das wusste ich sofort! In dem Moment, als er den Hof meiner Eltern betreten hat, war mir klar: Das ist mein Mann, mit dem werde ich durchs Leben gehen!«
    »Ehrlich? Aber wie konntest du dir da so sicher sein?«
    »Ganz einfach, Kindchen: Ich habe auf mein Herz gehört. Und wie sich dann herausgestellt hat, habe ich mich ja auch nicht geirrt.«
    »Und Heinzi? Hat der sich auch Hals über Kopf in dich verliebt?«
    »Tja, da musste ich ein wenig nachhelfen.« Oma schmunzelt. »Heinzi war sehr schüchtern. Ich wusste schon, dass er mich mag. Das habe ich an seinen Blicken gesehen. Aber er hat sich nicht so recht getraut. Deshalb habe ich ihn unter einem Vorwand nachts zum Kirschbaum gelockt und dort verführt.«
    »Oma!«
    »Ach, weißt du, Tine, manchmal muss man als Frau auch einfach die Initiative ergreifen …« Oma kichert und wird ein wenig rot.
    »Wart ihr denn immer glücklich? Habt ihr euch nie gestritten?«
    »Ach, natürlich haben wir uns auch gestritten! Immer glücklich sein, das geht ja gar nicht. Und darauf kommt es ja auch nicht an.«
    »Worauf denn
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