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Flitterwochen

Flitterwochen

Titel: Flitterwochen
Autoren: Anne Hertz
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stimmt doch gar nicht! Gut, ich gebe zu, ich habe noch nicht optimal auf den kleinen Ausflug der Jungs reagiert, aber dass Sie mir hier gleich unterstellen, ich hätte nur noch meine Hochzeit im Kopf, das finde ich …«
    »Frau Samstag, das habe ich mit keinem Wort gesagt. Allerdings wirken Sie momentan tatsächlich immer sehr abwesend. Aber wenn ich mir das alles einbilde – umso besser! Dann werden Sie die Zügel in der 4 c sicher richtig straff in die Hand nehmen, sobald Sie aus den Osterferien zurückkehren.«
    Ich hole tief Luft. »Genau! Das werde ich auch.« Ich schnappe mir den Stapel Hefte, den ich eben auf Schuberts Schreibtisch abgelegt habe, mache auf dem Absatz kehrt und rausche hinaus. Der wird mich noch kennenlernen!
     
    Die große Pause ist schon seit drei Minuten vorbei, als ich in mein Klassenzimmer komme. Gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, dass meine Jungs mittlerweile auf schärfere Waffen umgestiegen sind. Kein Wunder – die Wasserbomben hat ihnen Schubert ja abgeknöpft. Jan-Ole steht also auf seinem Tisch und zielt mit einer Spielzeugpistole auf Lukas, der einen über und über mit Farbe beschmierten Pullover trägt und markerschütternd schreit.
    »Aaaah! Du hast mich getroffen, du Schwein – ich werde sterben, aber mein Clan wird mich rächen, aaaahhhh!«
    »Egal – diese Kugeln hast du verdient – baaam, baaam, baaam!« Geschrei, Geknalle aus der Pistole, ohrenbetäubender Lärm. Irgendjemand wirft eine halbvolle Coladose durch die Luft, die nur knapp neben dem neuen Smartboard an der Wand landet. Der gesamte Teppich davor ist mit einem Mal klitschnass. Ich spüre, wie mir heiß wird.
    »Jan-Ole, komm sofort von dem Tisch runter! SOFORT !«
    Der Junge dreht sich zu mir um und lacht. »Oh, die liebe Frau Samstag! Gut, dass du da bist – stell dir mal vor, der Schubert hat uns unsere Luftballons geklaut. Einfach so. Darf der das?«
    Jetzt dreht sich auch Lukas um. »Ja, stell dir mal vor, Frau Samstag – die hatte ich gerade erst gekauft. Ich will die wieder haben!«
    »Also, mein Vater ist Anwalt«, wirft Jan-Ole ein. »Der verklagt Herrn Schubert. Und dich. Und die Schule. Mein Papa macht euch fertig!«
    Schubert hat recht. Das sind keine kleinen Kinder, das sind Terroristen. Wohlstandsverwahrloste Terroristen. Ja, ich muss endlich mal durchgreifen – ich war viel zu lange die liebe Frau Samstag. Damit ist jetzt Schluss!
    Bevor Jan-Ole weiß, wie ihm geschieht, greife ich nach der Pistole und entwaffne ihn mit einem Handgriff. Verdattert schaut er mich an und protestiert auch nicht, als ich ihn mit der anderen Hand am Schlafittchen packe und vom Tisch ziehe. Freund Lukas schaltet da schon schneller, er springt seinem Kumpel zur Seite und schreit los.
    »Hey, Frau Samstag, hast du nicht gehört? Sein Papa ist Anwalt, der macht dich platt. Lass ihn sofort los, sonst kommen gleich die Bullen! Das ist Belästigung!«
    Ohne Jan-Ole loszulassen, wende ich mich Lukas zu und mustere ihn mit einem Blick, der hoffentlich nach
Zero Tolerance
und drakonischer Strafe aussieht.
    »Wenn hier einer die Bullen ruft, dann bin ich es. Und ich weiß auch genau, wen sie dann mitnehmen. Ich freue mich schon, dir demnächst eine Postkarte ins Heim für Schwererziehbare zu schicken. Besuchen darf man dich da ja nicht.«
    Lukas reißt die Augen auf. Verständlich – solche Töne ist er von mir schließlich nicht gewohnt. Und, ja, ich gebe zu, dass meine kleine Ansprache wahrscheinlich nicht Eingang ins
Handbuch für Grundschulpädagogik
finden würde, aber so kurz vor der eigenen Hochzeit darf man wohl mal ein wenig die Nerven verlieren.
    »Tschuldigung, Frau Samstag«, stottert Lukas unsicher, »das war nicht so gemeint. Ich wollte Jan nur helfen.« Er trollt sich an seinen Platz am Nachbartisch und setzt sich. Na also, geht doch. Manche Sachen sind eben unpädagogisch – aber wirkungsvoll.
    Ich gehe zum Lehrerpult, hole meine Handtasche darunter hervor und verstaue die Pistole darin. »So, Jan-Ole. Das Ding ist mindestens bis zum Ende der Osterferien konfisziert.« Jan-Ole sagt nichts, aber in seinem Gesicht sehe ich ein großes
Hä?.
»Also, die ist erst einmal beschlagnahmt. Die gebe ich dir erst wieder, wenn wir uns hier mal ganz grundsätzlich darüber einig sind, dass man seine Mitmenschen weder mit Wasserbomben noch mit Spielzeugpistolen oder sonstigen Wurfgeschossen terrorisiert. Und jetzt setzt sich jeder auf seinen Platz, und wir beginnen endlich mit dem
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