Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flitterwochen

Flitterwochen

Titel: Flitterwochen
Autoren: Anne Hertz
Vom Netzwerk:
Unterricht.«
    Dreiundzwanzig Kinder huschen zu ihren Stühlen, und tatsächlich kehrt so etwas Ähnliches wie Ruhe ein. Das blondbezopfte Mädchen an dem Fünfertisch direkt vor mir hebt die Hand. Ich nicke ihr zu. »Ja, Luisa?«
    »Stimmt es, dass Sie bald nicht mehr unsere Lehrerin sind?«
    Ich runzle die Stirn. »Wer sagt denn so was?«
    »Meine Mama. Die hat gesagt, wenn Sie erst mal Ihren reichen Typen geheiratet haben, dann wollen Sie bestimmt nicht mehr Lehrerin sein.«
    Ich schüttle heftig den Kopf. »Das ist Unsinn. Es wird sich gar nichts ändern. Nur mein Nachname, der ist nach den Osterferien nicht mehr der gleiche. Ich heiße dann nicht mehr Samstag, sondern Weltenstein, aber das habe ich euch ja schon erzählt.«
    Luisa guckt immer noch skeptisch. Offensichtlich hat ihre Mama ihr nicht nur bereits beigebracht, dass man Erwachsene siezt, sondern auch, dass man ihnen grundsätzlich nicht trauen sollte. Ich seufze. Wenn schon mein Schulleiter es für möglich hält, dass ich mich gedanklich bereits aus dem Schuldienst verabschiedet habe, kann ich das meinen Schülern und deren Eltern wohl kaum übelnehmen.
    »Luisa, mach dir keine Sorgen. Ich werde zumindest noch so lange eure Lehrerin sein, dass ich Jan-Ole und Lukas davon abhalten kann, weiter Wasserbomben in die Bäckerei Remper zu werfen.«
    Die Jungs und Mädchen kichern, und ich nehme mir vor, für das restliche Schuljahr die beste Lehrerin zu sein, die ich je war. Na ja, zumindest bis zu den Pfingstferien.
     
    »Na, Tine – schon aufgeregt?« Meine Freundin und Kollegin Svea tippt mir auf die Schulter, als ich kurz nach Unterrichtsschluss ins Lehrerzimmer komme. Ich schüttle den Kopf.
    »Nee, ich muss noch so viel erledigen, ich komme gar nicht dazu, aufgeregt zu sein. Das Brautkleid hängt noch bei der Schneiderin, ich muss noch zur Apotheke, außerdem habe ich Bargeld bei der Bank bestellt, das muss ich nachher auch noch abholen. Na, und dann das Kofferpacken …«
    »Was denn für Bargeld?«
    »Dollar und Seychellische Rupien. Damit wir schon mal ein bisschen was dabeihaben, wenn wir ankommen.«
    Svea grinst. »Ich dachte, du heiratest einen Banker. Da musst du doch in Zukunft wohl kein eigenes Geld mehr mitbringen.«
    »Mann, jetzt fängst du auch noch so an!«, fahre ich Svea schärfer an, als ich eigentlich wollte.
    Die hebt beschwichtigend die Hände. »Bitte keine Gewalt, Süße! Das sollte lediglich ein kleiner Scherz sein.«
    »Tschuldigung. Ich bin da heute irgendwie empfindlich. Erst macht der Schubert so eine blöde Bemerkung, und dann fragen mich meine Kinder tatsächlich, ob ich noch mal wiederkomme, jetzt, wo ich so einen reichen Knacker heirate. Echt – wie im letzten Jahrhundert! Na ja, und dann bin ich eben wirklich gestresst.«
    Svea zuckt mit den Schultern. »Was heiratest du auch auf einer fernen Insel? Wenn du Alex einfach in St. Jakobi dein Jawort geben würdest, müsstest du keine Koffer packen. Und Dollars bräuchtest du dann auch nicht. Aber so ist es eben, wenn man seinen Freunden kein rauschendes Fest gönnt und lieber allein feiert. Mein Mitleid hast du jedenfalls nicht.« Jetzt grinst sie wieder, und ich knuffe sie in die Seite.
    »Gut. Dann sind wir ja quitt. Wenn ich nämlich bald bei achtundzwanzig Grad im Schatten und einer leichten Brise mit Blick auf den Indischen Ozean meinen ersten Cocktail schlürfe, werde ich auch kein Mitleid mit Menschen haben, die bei zwölf Grad und Nieselregen in Lübeck mit ihrem Hund spazieren gehen müssen.«
    Wir müssen beide lachen, insgeheim denke ich allerdings nicht zum ersten Mal, dass ich mich mit Alexanders Wunsch, zu zweit an einem Strand auf La Digue zu heiraten, vielleicht etwas zu schnell einverstanden erklärt habe. Aber ich tröste mich mit dem Gedanken, dass wir dafür im nächsten Sommer eine riesige Party im Wochenendhaus von Alexanders Eltern feiern werden. Wobei
Wochenendhaus
die Untertreibung des Jahres ist –
Landsitz
trifft es da schon eher. Mit dem Hinweis auf dieses rauschende Fest ließ sich am Ende auch meine Mutter wieder beruhigen, die die Nachricht von der Seychellen-Hochzeit am Anfang gar nicht gut aufgenommen hatte.
    Mein Handy klingelt. Hektisch wühle ich in meiner Handtasche, die ich gerade auf dem Tisch abgestellt habe. Ich schiebe die Spielzeugpistole beiseite, bekomme das Handy aber erst in die Finger, als es schon aufgehört hat, zu klingeln. Ohne nachsehen zu müssen, weiß ich, dass es Alex war. Schließlich hat mein Schatz einen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher