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Flitterwochen

Flitterwochen

Titel: Flitterwochen
Autoren: Anne Hertz
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dann ganz kurz bitten, meins auch gleich mitzubringen? Weil – mein Auto steht ganz blöd vor der Tür, und bestimmt kriege ich da bald Ärger.«
    Die Omi beäugt mich misstrauisch, als würde sie überlegen, ob das ein Trick ist, den der Bankmensch mit mir verabredet hat. Letzterer hebt hilflos die Hände. Wahrscheinlich fürchtet er, dass nun die nächste Wahnsinnige mit irgendeinem Unsinn kommt, und ist in diesem Moment ganz froh, durch eine Panzerglasscheibe von uns getrennt zu sein. Ich beeile mich, ihm zu erklären, dass mein Anliegen ganz unkompliziert ist.
    »Wissen Sie, ich habe Fremdwährungen vorbestellt. Könnten Sie die dann nicht auch gleich …«
    Bevor ich den Satz zu Ende gesprochen habe, legt die Omi richtig los. »Moment mal, Kindchen. Ich bin noch nicht fertig hier. Ich will sofort sehen, was mit meinem Geld passiert ist, sonst rufe ich die Polizei.«
    Der Bankmensch seufzt, wendet sich seinem Computer zu und tippt etwas ein. Kurze Zeit später rattert unter seinem Tresen etwas, er greift dorthin und zieht ein ganzes Bündel Geldscheine hervor.
    »So, Frau Strelow. Wenn Sie mal mitzählen wollen: Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun …«
    In diesem Moment klingelt mein Handy schon wieder. Alex. Der mittlerweile garantiert richtig sauer ist. Zu Recht. Hektisch wühle ich in meiner Handtasche. Wo, zum Geier, ist mein Telefon? Himmel, diese Tasche ist wirklich ein Massengrab! Bestimmt geht gleich die Mailbox ran. Da – ich bekomme etwas Flaches, Hartes zu fassen und ziehe es heraus. In diesem Moment passieren mehrere seltsame Dinge gleichzeitig: Der Kassierer glotzt mich an und verfällt erst in Schnappatmung, dann in Schreckstarre, die Oma unterbricht ihren Redefluss – und die Dame, die mir eben noch fast auf den Hacken stand, macht einen regelrechten Satz zurück. Was haben die denn alle? Rieche ich auf einmal irgendwie streng?
    Bevor ich noch unauffällig an meiner eigenen Achselhöhle schnuppern kann, schmeißt sich die Oma plötzlich mit einem Hechtsprung direkt in meine Arme und reißt mich dabei fast um. Dann fängt sie an zu kreischen. »Hilfe! Ein Banküberfall! Bitte, bitte, tun Sie mir nichts! Sie bekommen all mein Geld, aber lassen Sie mir mein Leben!«
    Wie aufs Stichwort erwacht der Kassierer aus seiner Schreckstarre und beginnt, die eben vorgezählten Geldscheine durch den Schlitz unter der Glasscheibe hindurchzustopfen. Was, zum Geier, ist hier los? Wieso Banküberfall? Die Oma wendet mir ihr Gesicht zu. Jetzt kreischt sie nicht mehr, sondern flüstert. »Los Kindchen, schnapp dir die Kohle. Das ist die Chance! Worauf wartest du? Lass uns abhauen. Bestimmt sind die Bullen gleich da!« Dann kreischt sie wieder. »Hilfe, ich bin eine Geisel, ich bin eine Geisel!«
    Ich verstehe kein Wort. Die Oma ist offensichtlich völlig durchgedreht. Komisch nur, dass das außer mir niemand bemerkt. Im Gegenteil. Ich bilde mir ein, dass der Bankmensch in diesem Moment versucht, sich möglichst unauffällig zu bücken und unter seinen Schalter zu greifen. Der wird doch nicht tatsächlich den Alarmknopf drücken? Das darf doch nicht wahr sein!
    Mein Handy beginnt wieder zu bimmeln. Allerdings klingt es so, als sei es immer noch in meiner Handtasche. Wie seltsam, was halte ich denn dann in meiner Hand? Ich sehe nach unten. Es ist die Spielzeugpistole von Jan-Ole.

3 . Kapitel

    D ie letzten Schultage vor den Ferien verlaufen ja gern mal etwas hektischer als andere, aber dieser Donnerstag schlägt sie alle: Ich fahre gerade sehr hektisch kreuz und quer durch Lübeck, angeleitet von einer Rentnerin, die sonst wohl nur als Fußgängerin in der schönen Hansestadt unterwegs ist und eine dementsprechend krause Wegbeschreibung zu ihrem Haus gibt.
    Während ich versuche, nicht zu viele Einbahnstraßen von der falschen Richtung aus zu befahren, rattern die Gedanken in meinem Hirn wie Kugeln in einer wild gewordenen Bingomaschine. Warum in aller Welt habe ich Frau Strelow nicht einfach aus dem Auto geschmissen und bin abgehauen? Okay, ich konnte aus der Ferne schon die Polizeisirene hören, es war also nicht viel Zeit für Diskussionen, und die alte Dame war einfach auf den Beifahrersitz gesprungen und wollte nicht wieder aussteigen. Aber trotzdem: Kann es sein, dass ich mich gerade nur noch tiefer in die Scheiße reite? Wie soll ich das alles Alexander erklären? Immerhin könnte es für den unvoreingenommenen Betrachter so aussehen, als hätte ich soeben eine Filiale seiner Bank
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