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Flieh Wenn Du Kannst

Flieh Wenn Du Kannst

Titel: Flieh Wenn Du Kannst
Autoren: Joy Fielding
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über ihren schlanken Hüften glattstrich. Weshalb wollte Joan nicht, daß sie mit ihrem Mann über diese merkwürdige Behauptung sprach? Wahrscheinlich, weil er sie für verrückt erklären würde. Bonnie lachte. Rod war sowieso überzeugt davon, daß seine geschiedene Frau nicht richtig tickte.
    Sie beschloß, sich nicht mit Joan zu treffen. Die Frau hatte ihr nichts zu sagen, was sie interessierte. Nichts, was ihr in irgendeiner Weise nützlich sein konnte. Doch schon während Bonnie den Entschluß faßte, war ihr klar, daß ihre Neugier die Oberhand gewinnen und sie sich vor dem Ende aus dem Vortrag stehlen würde, wahrscheinlich den wichtigsten Teil verpassen würde, um den ganzen Weg bis in die Lombard Street zu fahren und dort zu entdecken, daß Joan sich nicht einmal erinnerte, sie am Morgen angerufen zu haben. Ähnliches war schon des öfteren vorgekommen. Anrufe im Suff mitten in der Nacht, wütende Beschimpfungen zum Abendessen, tränenreiche Klagen, wenn man gerade zu Bett gehen wollte. Und hinterher alles vergessen. Wovon reden Sie? Ich habe Sie nie angerufen. Warum sollen Sie mir unbedingt das Leben schwermachen? Was, zum Teufel, reden Sie da?
    Bonnie hatte sie gewähren lassen. Trotz allem, was sie von dieser Frau wußte, trotz des Kummers und der Sorgen, die sie Rod bereitet hatte, tat Joan ihr leid. (»Du bist eine gute Seele«, pflegte ihre Mutter zu sagen.) Sie mußte sich immer wieder klarmachen, daß Joan für den größten Teil ihrer Probleme selbst verantwortlich war, daß sie ganz bewußt zum Alkohol gegriffen und nicht mehr davon abgelassen hatte. Es war zu einfach, ihr Verhalten damit zu entschuldigen, daß es verständlich sei, wenn eine Frau nach einer solchen Tragödie, wie sie sie erlebt hatte, zu trinken begann.
    Selbst dieses tragische Ereignis, das ihr Leben so verändert hatte, hatte sie ja größtenteils selbst heraufbeschworen. Zweifellos hätte es abgewendet werden können, wäre Joan nicht so nachlässig gewesen, ihr vierzehn Monate altes Kind allein in der Badewanne zu lassen, wenn auch nicht einmal eine Minute, wie sie später verzweifelt behauptet hatte. Sie hatte alle möglichen Erklärungen gehabt: Sam und Lauren hatten im anderen Zimmer gestritten; Lauren hatte geschrien; es habe sich angehört, als könnte Sam ihr etwas antun; nur deshalb war Joan aus dem Badezimmer gestürzt. Sie hatte nachsehen wollen, was die beiden älteren Kinder trieben. Als sie wieder zurückgekommen war, war ihr jüngstes Kind tot und ihre Ehe zu Ende gewesen.
    Bitte erzählen Sie Rod nichts davon.
    Weshalb ihn gleich am frühen Morgen aufregen, sagte sich Bonnie und beschloß, ihrem Mann nichts von Joans Anruf zu sagen, oder höchstens erst nach dem Zusammentreffen. Rod hatte im Augenblick im Studio genug um die Ohren – eine ungünstige Sendezeit am Nachmittag, eine unmögliche Moderatorin, ein abgedroschenes Konzept. Wie viele seichte Talkshows brauchte das Publikum eigentlich noch? Dennoch hatten sich unter seiner fachmännischen Leitung die Einschaltquoten stetig verbessert. Mittlerweile war sogar von landesweiter Ausstrahlung die Rede. Die Tagung, die nächsten Monat in Miami stattfinden sollte, war von zentraler Bedeutung.
    Wieder sah sie sich unter hohen Palmen auf weißem Sandstrand stehen, und ein leichtes Lüftchen schien sie zu umfächeln, als sie sich an ihren kleinen Toilettentisch setzte, der dem Bett gegenüber stand; an der Wand daneben hatte sie einen Akt von Salvador Dali aufgehängt, eine gesichtslose Frau in gedämpftem Blau mit runden Hüften und überlangen Gliedern, deren kahlem Kopf strahlenförmig irgendwelche Emanationen entsprangen.
    Vielleicht ist Glatzköpfigkeit die Lösung, dachte Bonnie, während sie vergeblich versuchte, ihr kinnlanges braunes Haar so um ihr schmales Gesicht zu arrangieren, wie die Friseuse es ihr gezeigt hatte. »Ach, gib’s doch auf«, sagte sie zu ihrem Spiegelbild und ließ ihr widerspenstiges Haar sein, wie es war. Trotz der feinen Linien rund um ihre tiefgrünen Augen, fand sie, daß sie gar nicht so übel aussah. Ihr hübsches Gesicht besaß jene Klarheit und Offenheit, die niemals wirklich außer Mode kamen und sie noch lange nicht wie fünfunddreißig erscheinen ließen. Als >frisch< hatte Joan es einmal beschrieben.
    Vielfältige Bilder von Rods geschiedener Frau verdrängten erbarmungslos die Vision von Palmen und weißen Stränden, grell und siebdruckartig, den Bildnissen ähnlich, die Andy Warhol von Elizabeth Taylor und Marilyn
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