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Flieh Wenn Du Kannst

Flieh Wenn Du Kannst

Titel: Flieh Wenn Du Kannst
Autoren: Joy Fielding
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sich, während sie darauf wartete, daß der Anrufer sich meldete. »Hallo«, sagte sie noch einmal, als es still blieb.
    »Ich bin’s, Joan. Ich muß mit Ihnen sprechen.«
    Bonnie stöhnte, und ihr Kopf fiel herab, als hätte ihr jemand einen Schlag in den Nacken gegeben. Noch nicht einmal sieben Uhr morgens, und schon war die geschiedene Frau ihres Mannes am Telefon. »Ist etwas passiert?« fragte sie, augenblicklich das Schlimmste befürchtend. »Sam und Lauren...?«
    »Den beiden geht es gut.«
    Bonnie atmete erleichtert auf. »Rod ist gerade unter der Dusche«, sagte sie und dachte, daß es selbst für Joan reichlich früh wäre, sich einen zu genehmigen.
    »Rod brauche ich nicht. Ich möchte mit Ihnen sprechen.«
    »Das ist jetzt aber keine gute Zeit«, erwiderte Bonnie so freundlich, wie es ihr möglich war. »Ich muß mich für die Arbeit fertigmachen...«
    »Sie brauchen doch heute gar nicht zur Arbeit. Sam hat mir gesagt, daß heute Weiterbildungstag ist.«
    »Das ist richtig. Trotzdem...«
    »Können wir uns nicht gegen Mittag irgendwo treffen?«
    »Nein, das geht auf keinen Fall«, antwortete Bonnie, erstaunt über die Bitte. »Ich bin den ganzen Morgen bei Vorträgen. Es geht, wie gesagt, um meine berufliche Weiterbildung.«
    »Dann wenigstens mittags. Sie haben doch bestimmt eine Mittagspause.«
    »Joan. Ich kann nicht...«
    »Aber es muß sein.«
    »Was soll das heißen? Es muß sein? Was meinen Sie damit?«
    Was redete diese Frau da? Bonnie blickte ratlos zur Badezimmertür. Die Dusche lief noch. Rod röhrte lauthals »Take Another Little Piece of My Heart«. »Joan, ich muß jetzt wirklich Schluß machen.«
    »Sie sind in Gefahr!« Die Worte klangen wie ein Zischen.
    »Was?«
    »Sie sind in Gefahr. Sie und Amanda.«
    Augenblicklich überfiel Bonnie eisige Panik.
    »Was soll das heißen? Wir sind in Gefahr? Was reden Sie da überhaupt?«
    »Das läßt sich am Telefon nicht erklären. Es ist zu kompliziert«, entgegnete Joan, deren Stimme plötzlich beängstigend ruhig klang. »Sie müssen sich schon mit mir treffen.«
    »Haben Sie getrunken?« fragte Bonnie jetzt ärgerlich, obwohl sie vorgehabt hatte, ruhig und freundlich zu bleiben.
    »Klingt es so, als hätte ich getrunken?«
    Bonnie mußte zugeben, daß es nicht so war.
    »Hören Sie, Bonnie, ich zeige heute morgen mehreren Interessenten ein Haus in der Lombard Street 430. Ich veranstalte da so eine Art open house. Draußen in Newton. Spätestens um dreizehn Uhr, wenn die Eigentümerin nach Hause kommt, muß die Sache beendet sein.«
    »Aber ich hab’ Ihnen doch schon gesagt, ich sitze den ganzen Tag in Vorträgen.«
    »Und ich hab’ Ihnen gesagt, daß Sie in Gefahr sind«, wiederholte Joan so abgehackt, als säße hinter jedem Wort ein Punkt.
    Bonnie wollte schon protestieren, doch dann überlegte sie es sich anders. »Also gut«, stimmte sie zu. »Ich werd’ versuchen, in der Mittagspause rauszukommen.«
    »Aber vor eins«, sagte Joan.
    »Vor eins«, bestätigte Bonnie.
    »Und bitte erzählen Sie Rod nichts davon«, fügte Joan hinzu.
    »Warum nicht?«
    Statt einer Antwort hörte Bonnie das Knacken in der Leitung, als Joan auflegte.
    »Es ist immer ein Vergnügen, von Ihnen zu hören«, sagte Bonnie ärgerlich, legte ihrerseits auf und starrte einen Moment lang frustriert vor sich hin. Was für einen Blödsinn hatte sich Joan nun wieder in den alkoholbenebelten Kopf gesetzt?
    Sie hatte allerdings tatsächlich keinen benebelten Eindruck gemacht, wie Bonnie einräumen mußte, als sie jetzt aufstand und zum Badezimmer ging. Sie hatte klar und präzise gesprochen, als wüßte sie genau, was sie sagte. Eine Frau mit einer Mission, dachte Bonnie. Sie ging ans Waschbecken, wusch sich das Gesicht und putzte sich die Zähne, ging dann auf nackten Füßen über den blaugrauen dicken Teppich zum Wandschrank. Es wurde langsam Zeit, die Wintersachen wegzupacken und die Sommersachen in den Schrank zu hängen, aber wie lautete doch der dumme Spruch, den ihre Freundin Diana zu zitieren pflegte? Laß im Schrank die warmen Sachen, bis dem April vergeht das Lachen. Ja, richtig, dachte Bonnie und verschloß ihre Ohren den anderen, beunruhigenderen Stimmen, während sie sich ankleidete. Sie sind in Gefahr, hörte sie dann doch wieder Joans Stimme. Sie und Amanda.
    Was konnte Joan damit gemeint haben? Was für eine Gefahr sollte ihr und ihrer Tochter drohen?
    Bitte erzählen Sie Rod nichts davon.
    »Warum nicht?« fragte Bonnie laut, als sie das rote Strickkleid
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