Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fliegende Fetzen

Fliegende Fetzen

Titel: Fliegende Fetzen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
gibt dort Blutsverwandte, obwohl das Land gerade erst kam aus dem Meer?« brummte er.
    »Gute Frage«, erwiderte Mumm.
    »Haben sie angehalten den Atem?«
    »Das bezweifle ich.«
    Es liegt mehr in der Luft als nur das Salz des Meeres, dachte Mumm. Etwas bahnte sich an. Er spürte es ganz deutlich. Es gab ein neues Problem, und es hieß Klatsch.
    Seit fast einem Jahrhundert herrschte Frieden – oder zumindest ein Zustand des Nichtkrieges – zwischen Ankh-Morpork und Klatsch. Immerhin war es ein benachbartes Land.
    Nachbarn – ha! Was bedeutete das? Die Wache konnte das eine oder andere über Nachbarn erzählen. Genauso die Rechtsanwälte, insbesondere die Reichen unter ihnen: Für sie war ein »Nachbar« jemand, der nicht davor zurückschreckte, für einen fünf Zentimeter breiten Gartenstreifen zwanzig Jahre lang zu prozessieren. Die Leute lebten viele Jahre lang friedlich nebeneinander und nickten sich jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit zu. Und dann geschah irgend etwas Banales, mit dem Ergebnis, daß sich jemand eine Mistgabel aus dem Ohr entfernen lassen mußte.
    Jetzt war irgendein verdammter Felsen aus dem Meer aufgestiegen, und alle verhielten sich so, als hätten Klatsches Hunde die ganze Nacht gebellt.
    »
Aagragaah
«, sagte Detritus kummervoll.
    »Nimm keine Rücksicht auf mich«, sagte Mumm. »Spuck mir nur nicht auf die Stiefel.«
    »Ich meine…« Detritus hob seine große Hand und gestikulierte. »Ich meine, es sein wie bei den Dingen, wo eins und eins…« Er zögerte und blickte auf die Finger, während sich seine Lippen bewegten. »… zwei ergeben. Aagragaah. Wortwörtlich damit gemeint sein die Zeit, wenn man sieht kleine Kieselsteine und weiß, gleich es kommen zu einem Erdrutsch, und man nicht mehr kann rechtzeitig weglaufen. Einen solchen Moment man nennt Aagragaah.«
    Mumms Lippen bewegten sich ebenfalls. »Meinst du vielleicht
Vora
h
nung

    »Ja, genau das ich meine.«
    »Woher stammt das Wort?«
    Detritus zuckte mit den Schultern. »Vielleicht es zurückgeht auf das Geräusch, das man von sich gibt, wenn man wird begraben unter tausend Tonnen Fels.«
    »Vorahnung…« Mumm rieb sich das Kinn. »Ja. Nun, ich habe jede Menge Vorahnungen…«
    Erdrutsche und Lawinen, dachte er. Schneeflocken fallen, jede von ihnen leicht wie eine Feder. Aber dann gerät plötzlich ein ganzer Berghang in Bewegung…
    Detritus richtete einen schlauen Blick auf Mumm. »Ich wissen, daß die Leute sagen: ›Wenn Dummheit weh täte, müßte Detritus den ganzen Tag schreien.‹ Aber mir bekannt sein, aus welcher Richtung weht der Wind.«
    Mumm musterte den Troll mit neuem Respekt.
    »Du weißt wirklich Bescheid, nicht wahr?«
    Detritus klopfte sich mit einem wissenden Finger an den Helm.
    »Es ist doch ganz klar«, sagte er. »Du kennen auf den Dächern die kleinen Hähne und Drachen und so? Und den armen Teufel auf dem Dach der Diebesgilde? Man sie nur gut beobachten muß.
Sie
wissen Bescheid. Ich mich fragen, wieso sie immer in die richtigen Richtung zeigen.«
    Mumm entspannte sich ein wenig. Wenn man die Maßstäbe von Trollen anlegte, gab es an Detritus’ Intelligenz nichts auszusetzen: Sie rangierte irgendwo zwischen der eines Kuttelfisches und eines Drahtseilakrobaten. Wenigstens durfte man darauf vertrauen, daß er sich davon nicht belasten ließ.
    Detritus zwinkerte. »Und ich mich erinnern an Zeit, als man sich suchte einen großen Knüppel und Großvater zuhörte, der erzählte davon, über die Zwerge herzufallen«, fügte er hinzu. »Etwas in der Luft, nicht wahr?«
    »Äh… ja…«, bestätigte Mumm.
    Über ihm flatterte etwas. Er seufzte. Eine Nachricht traf ein.
    Mit einer Taube.
    Sie hatten alles andere ausprobiert. Sumpfdrachen neigten dazu, in der Luft zu explodieren. Kobolde verspeisten die Mitteilungen. Und Signalhelme verursachten Probleme, besonders bei starkem Wind. Und dann hatte Korporal Kleinpo darauf hingewiesen, daß die Tauben von Ankh-Morpork intelligenter waren als andere Tauben, und zwar aufgrund einer natürlichen Auslese, wofür die Wasserspeier in der Stadt verantwortlich waren. Mumm fiel es nicht schwer, sich Dinge vorzustellen, die intelligenter waren als durchschnittliche Tauben; das traf seiner Meinung nach selbst auf den Schimmel auf feuchtem Brot zu.
    Er holte eine Handvoll Körner aus der Tasche. Die Taube gehorchte den Geboten ihrer sorgfältigen Ausbildung und landete auf Mumms Schulter. Eine Sekunde später gab sie einem inneren Druck nach und entleerte ihren
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher