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Fliegende Fetzen

Fliegende Fetzen

Titel: Fliegende Fetzen
Autoren: Terry Pratchett
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Fischer starrten sich an.
    Um sie herum ragten tropfnasse Gebäude empor. Sie hatten Löcher, die einst Türen gewesen sein mochten, und glaslose Öffnungen, die vielleicht einmal als Fenster gedient hatten. Doch in ihrem Innern blieb es finster. Les glaubte, dann und wann Geräusche zu hören, die auf etwas Rutschendes oder Kriechendes hindeuteten.
    Fester Fanggut hüstelte. »Der Junge hat recht«, brummte er. »Wie dumm, uns zu streiten. Wir sind hier doch nur zu viert.«
    »Ja«, bestätigte Arif.
    Sie wichen zurück, wobei jeder Mann den anderen genau im Auge behielt. Und dann riefen beide fast gleichzeitig: »Schnappen wir uns das Boot!«
    Nach einigen Sekunden des Durcheinanders liefen und rutschten zwei Paare durch die schlammigen Straßen, jeweils mit einem Boot über den Köpfen.
    Kurz darauf kehrten sie zurück, um ihre richtigen Söhne zu holen, und man hörte ein zweistimmiges: »Ein Entführer
obendrein,
wie?«
    Wie alle Fachleute von Forschungsreisen und Entdeckungen wissen: Den Preis bekommt nicht etwa der Forscher, der als erster seinen Fuß auf jungfräulichen Boden setzt, sondern derjenige, der eben diesen Fuß als erster nach Hause bringt. Er kann von Glück sagen, wenn der Fuß dann noch am Bein befestigt ist.
     
    Die Wetterhähne von Ankh-Morpork drehten sich knarrend in den Wind.
    Nur wenige von ihnen repräsentierten die Gattung
Avis domestica.
Es gab Darstellungen von Drachen, Fischen und anderen Tieren. Auf dem Dach der Assassinengilde quietschte ein Mitglied mit Dolch und Mantel in eine neue Position. Bei der Bettlergilde streckte ein Blechbettler dem Wind die Hand entgegen und bat um eine Münze. Bei der Fleischergilde schnüffelte ein kupfernes Schwein. Auf dem Dach der Diebesgilde drehte sich ein
echter,
wenn auch ziemlich toter, nicht lizensierter Dieb, was beweist, wozu man fähig sein kann, wenn man sich wirklich Mühe gibt – oder wenn man ohne Lizenz zu stehlen versucht.
    Der Wetterhahn auf dem kuppelförmigen Dach der Universitätsbibliothek ging nach und würde die Veränderung erst in einer halben Stunde anzeigen.
    Der Geruch des Meeres trieb über die Stadt.
    Auf dem Hiergibt’salles-Platz fanden Volksredner immer wieder ein interessiertes Publikum, vielleicht deshalb, weil die »Volksreden« in den meisten Fällen auf Schimpfkanonaden und Haßtiraden hinausliefen. Manchmal war es auch das selbstvergessene Murmeln von Leuten, die hier und dort wie verträumt durch die Menge wandelten. Aber sie bildeten die Ausnahme. Der Tradition zufolge entwickelte die Rhetorik der Volksredner maximale Lautstärke: Die betreffenden Personen schrien aus vollem Hals. Es hieß, daß der Patrizier diesem Brauch wohlwollend gegenüberstand. Er fand ihn so wichtig, daß seine Beauftragten aufmerksam zuhörten und sich Notizen machten.
    Auch die Wache ließ es nicht an Aufmerksamkeit mangeln.
    Von Herumspionieren konnte in diesem Zusammenhang keine Rede sein, sagte sich Kommandeur Mumm. Man spionierte herum, wenn man an Mauern entlangschlich und heimlich durch Fenster blickte. In diesem Fall mußte man zurückweichen, um nicht taub zu werden.
    Ohne hinzusehen, streckte er die Hand aus und entzündete ein Streichholz an Feldwebel Detritus.
    »Das ich gewesen bin«, sagte der Troll vorwurfsvoll.
    »Entschuldigung, Feldwebel«, erwiderte Mumm und hob das brennende Streichholz an die Zigarre.
    »Es kein Problem sein.«
    Ihre Blicke kehrten zu den Rednern zurück.
    Es ist der Wind, dachte Mumm. Er bringt etwas Neues…
    Normalerweise faselten die Redner von vielen verschiedenen Dingen, wobei sich die meisten Themen am Rand des Wahnsinns aufhielten oder in den friedlichen Tälern jenseits davon wurzelten. Doch jetzt schienen sie alle von einer fixen Idee besessen zu sein.
    »… wird es Zeit, daß wir ihnen eine Lektion erteilen!« heulte der nächste Redner. »Warum hören unsere sogenannten Herren nicht auf die Stimme des Volkes? Ankh-Morpork hat
genug
von den angeberischen Banditen! Sie stehlen unseren Fisch, sie stören unseren Handel, und jetzt nehmen sie uns auch noch das Land weg!«
    Es wäre besser gewesen, wenn die Leute gejubelt hätten, fand Mumm. Das Publikum jubelte fast immer, ganz gleich, worum es ging – es machte einfach mehr Spaß, wenn man die Redner anfeuerte. Doch in diesem Fall blieben die Zuhörer stumm und nickten. Sie schienen tatsächlich über die Worte des Redners nachzudenken…
    »Sie haben meine Waren gestohlen!« rief ein anderer Redner. »Es ist ein verdammtes
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