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Fleisch und Blut - Der Kannibale

Fleisch und Blut - Der Kannibale

Titel: Fleisch und Blut - Der Kannibale
Autoren: Sharon Lee
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kann, wenn man die Totenruhe stört und sich vom Übriggebliebenen eine Suppe kocht? Sie kennen das Leiden nicht, auf Entzug zu sein. Täglich steigt das Verlangen, die Lust drängt einen, sich danach umzuschauen. Glauben Sie mir - das passiert sogar öfters, als Sie denken.»
     
    «Sie geben also zu, Lukas Brennwald, Jürg Ambauen und Markus „Kusi“ Fricker getötet zu haben wie Sie andere Männer getötet haben.»
    «Ach, ich bin einfach stolz, gewisse Rezepte zu besitzen. Die haben schon früher viel Geld eingespielt. Das sollten Sie notieren. Und zum anderen: was kann ich dafür, wenn Lukas – ich hätte gerne schon während der Schulzeit an ihm geknabbert, er hatte gute Gene – sich in meine Hände begibt. Gefleht hat er, er wolle meinen Hof sehen. Ja, und dasselbe war bei Jürg Ambauen. Wäre er nur nicht so neugierig gewesen. Er stand bereits in meinem Schlachtraum. Mehr ging nicht, ich habe sein Herkommen als Geschenk betrachtet. Was hätten Sie an meiner Stelle getan?»
     
    Felix Tägli hielt einen Moment inne, schaute zu ihm auf. Dann fuhr er unbeirrt fort: «Und Markus Fricker? Ach, ja, und was ist mit Remo Iseli – lebt er noch?»
    «Ich habe dem spröden Kommissar versprochen, ehrlich zu sein. Sie machen es mir nicht leicht. Diese Zeitungsberichte haben mich gestärkt und bestätigt. Ich fühle mich geschmeichelt über das breite Interesse. Die Gesellschaft will mehr über mich lesen. Nur deswegen habe ich die Knochen so offensichtlich in der Waldhütte entsorgt. Ich bin heute noch enttäuscht, dass kein Bericht in der Zeitung stand. Natürlich habe ich mir auch erhofft, dass ich den Kommissar treffe. Herr Aemisegger hat meine Nachricht endlich verstanden. Er hat mich auf meinem Hof besucht. Nur kamen uns diese Schnüfflerin und der dämliche Assistent Köppel in die Quere.»
     
    Ein Türknallen war zu hören. Felix Tägli sah wie Aemisegger kurz darauf in gekrümmter Haltung draussen am Fenster vorbeihuschte. Man hörte ihn Husten und Würgen. Lex Reinwarth zog die Gardinen zu. «Wir wollten doch nicht, dass unser Interview gestört wird.»
     
    Eben noch hatte Tägli Mitgefühl für Aemisegger, als es ihn schlagartig auf den Boden der Realität zurückknallte. Warum war er nur so auf das Interview fixiert gewesen und warum hatte er sich nicht eine Sekunde lang überlegt, weshalb das menschenverzehrende Monster mit ihm allein im Raum sitzen wollte? Es war offensichtlich: Reini verfolgte einen Plan. Als er ihm über die Schultern blickte – so genau hatte er sich im Raum noch nicht umgeschaut – fror es ihm beinahe die Adern zu. An der Wand hing die Killerwaffe schlechthin: Die Schwerter waren scharf geschliffen. Zu scharf, um sich solchen Klingen zu widersetzen. Felix Tägli wollte sich nichts anmerken lassen und fuhr mit dem Interview fort: «Was tun Sie mit Ihren Opfern, schlachten Sie sie wie ein Tier?»
    «Ich sehe die Angst in Ihren Augen. Was ist los mit Ihnen, Sie fürchten sich doch nicht etwa vor mir?»
    Der Seitenhieb hatte gesessen. Der Chefredaktor war verunsichert und hatte nicht mit Sicherheit verstanden, von welcher Angst Reini gesprochen hatte – seiner oder der Sterbensangst in den Augen seiner Opfer. Mit belegter Stimme antwortete er: «Sie haben mir meine Fragen nicht beantwortet.»
    «Tut mir leid, Felix, das war nicht meine Absicht. Ich darf doch Felix sagen – oder? Weisst du, mein Vater hat es immer so gemacht. Ich habe Buddy über alles geliebt, wie ich die anderen Tiere geliebt habe, die ich gegessen habe. Ihn am Fleischhaken hängen zu sehen, hat sehr wehgetan. Doch ich muss zugeben: Buddy hat lecker geschmeckt.»
    «Wie können Sie nur so kaltherzig sein?»
    «Ich stelle mir vor, dass Buddy nun ein Teil von mir ist. Es geht mir gut so.»
     
    Dann meinte Reini mit einem sardonischen Grinsen: «Als ich noch ein Kind war, nannte Vater den Saft „Sirup“. Heute sag ich demselben „Rotwein“. Der glückversprühende Saft hat eine stärkende und reinigende Wirkung. Er passt übrigens perfekt zum Gehackten, falls du es gerne mal ausprobieren möchtest. Es wäre mir eine Ehre, dich in das Ritual einzuweihen.»
    «Überleben nur, wenn ich einen Menschen esse? Nie im Leben werde ich das tun! Nur über meine Leiche!» Tägli sprang auf, er zitterte am ganzen Körper, fror, vibrierte. Sollte er das Interview beenden, gar um Hilfe rufen? Nein, er wollte das Ding hier durchziehen. Das Scheissgefühl, das er in Reinwarths Gegenwart hegte, durfte ihm nicht dieses
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