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Fleisch und Blut - Der Kannibale

Fleisch und Blut - Der Kannibale

Titel: Fleisch und Blut - Der Kannibale
Autoren: Sharon Lee
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Irrsinns-Interview vermasseln.
    «Setzen Sie sich!», befahl ihm Reinwarth. «Ich werde Sie beim Wort nehmen.»
     
    Panisch setzte sich Tägli zurück auf den Stuhl. Die Angst wurde wieder stärker, sie nahm überhand. Der Chefredaktor setzte sein Interview widerwillig fort. Er betrachtete es als Überlebensstrategie, sich besser mit Reini und seinen Vorlieben anzufreunden, als sich dagegen zu stellen.
    «Das Schlachten ist ein Ritual, das Zubereiten der Speise ebenso – sehe ich das richtig, Herr Reinwarth?»
    Reini fühlte sich verstanden. Die Stimmung lockerte sich, wenn auch nur ein klein wenig.
    «Willst du meine grössten Geheimnisse, Schätze, kennen lernen?»
    «Ja, gerne.»
    «Wirst du dann vom Fleisch kosten?»
    «Mal sehen.»
    Reini musterte den Journalisten misstrauisch.
    «Es wird eine Titelgeschichte geben, oder Felix?»
    «Auf jeden Fall, Herr Reinwarth»
    «Du willst wirklich meine Schätze kennenlernen und anschliessend ein Rezept probieren?»
    «Wollen nicht, doch für Sie bin ich bereit, es zu tun.» Felix Tägli glaubte selber nicht, was er sagte – es hörte sich verdammt widerlich an.
    «Es wird dir schmecken, Felix! Wenn du beim Schlachten nicht zusehen magst, kann ich das verstehen. Es hat mir als Kind auch jedes Mal einen Stich versetzt. Aber das Essen musst du einfach kosten. Vergib dir diese Chance nicht, Felix, du lebst nur einmal. Es wäre schade, jungfräulich zu sterben, nie davon gekostet zu haben. Nicht zu wissen, wie stark und mächtig man sich danach fühlt, wenn man die Seele eines anderen in sich aufgenommen hatte.»
    «Isst du alle Teile vom Menschen?»
    Reini begann sein Lied zu singen. Leise erklang die Melodie, er sang «Cormarye, Cormarye.»
    Mit versteiften Fingern tippte der Chefredaktor in seinen Laptop, besessen von dem Bericht über das unausweichlich Böse.
     
    Lex Reinwarth gab sich redselig. «Ich esse fast alles, ausser Innereien von unsauberen Personen. Ein Ritual, in das ich dich liebend gerne einweihen würde, ist die Zubereitung des Gehirns. Das Hirn ist eine Delikatesse und es zu kochen eine Kunst, die nur ganz wenige beherrschen. Der Schädel wird erhitzt, bis das Gehirn im eigenen Saft exakt gegart ist. Manche werfen die Perlen vor die Säue, wenn du mich fragst.»
    Felix Tägli hörte nur Gehirn und Kochen. Er hoffte, dass diese kranke Sau nicht von seinem Gehirn gesprochen hatte. Entweder er verstand alles, was Reini sagte, auf den Punkt oder er interpretierte seine Antworten falsch. Tägli begann sich zu verkrampfen. Mit abgehackten Bewegungen tippte er weiter.
     
    «Natürlich esse ich fast alle Körperteile. Die Natur ist eine Freibank und hat so viel Schmackhaftes zu bieten. Entweder brate ich das Fleisch oder koche es. Lecker ist auch die Wirbelpaste. Man muss nur die Röhrenknochen entmarken und das Mark zu einer köstlichen Paste verarbeiten. Ich habe davon noch etwas im Kühlschrank. Willst du, dass ich sie hole?»
     
    Völlig entgeistert starrte Felix Tägli ihn an. «W-I-R-B-E-L-Paste? Nein danke, im Moment lieber nicht. Ich brauche meine zehn Finger für die Titelgeschichte. Beim Schreiben zu essen ist umständlich. Ihre Rezepte interessieren mich, und ich bin sicher, auch die Leser brennen darauf, mehr darüber erfahren.»
    Der Chefredaktor stellte die Frage lediglich, um sich bei Reini gut zu stellen. Sicher würde er keinen Platz für diese Antwort in dem Bericht finden. Keinesfalls wollte er dem Monster eine Plattform für seine Prahlereien bieten.
    «Ja, das glaube ich auch. Immerhin ist das Hausschwein in unserer Küche ein fixer Bestandteil. Und da der Mensch dem Hausschwein, mal abgesehen vom Schimpansen, genetisch am Nächsten ist, ist das Zubereiten von Menschen nichts Abwegiges. Im Gegenteil: es ist konsequent. Es ist auch nicht pervers oder so, es ist einfach nur logisch. Gell, Felix, wir verstehen uns.» Reini zeigte sich devot; es war offensichtlich, dass er etwas im Schilde führte. Das gefrässige Leuchten in seinen Augen und wie er in eine Euphorie geriet - das Ritual hatte erneut begonnen.
     
    «Ich glaube kaum, Herr Reinwarth, dass wir zwei uns jemals verstehen werden. Bei Ihnen geht um das Essen von Menschen. Sie nehmen dafür das Töten, Schlachten und Ausnehmen in Kauf. Und Sie behaupten, Sie verhelfen dem Menschen zu einem sinnvollen Tod. Sie sehen sich ermächtigt, die Seele eines anderen zu töten, um sie anschliessend in sich aufzunehmen. Bestimmt müssen Ihre Opfer leiden, bevor Sie sie töten und verspeisen.
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