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Flegeljahre am Rhein

Flegeljahre am Rhein

Titel: Flegeljahre am Rhein
Autoren: Bernd Ruland
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wieder im Gange. Bismarck stand auf dem Standpunkt... a 2 + ab 2 ... Nein, das war Plinius der Jüngere... Volt und Ampère... Lächerlich, die „Räuber“ wird Schwamm bestimmt nehmen... Was hat denn Cäsar damit zu tun!... Die Tangente ist... Wieder geht die Tür auf.
    Fize. Feierlichst im schwarzen Anzug. Augenblicklich Ruhe.
    „Hekker!“
    Gupp wird noch bleicher, als er ohnehin schon ist, und erhebt sich.
    „Hekker — Sie werden als erster geprüft!“

    ☆

    Die Schlacht ist aus, es sank die Nacht...
    Die Abiturientia hat sich bei Theobald im „Vater Rhein“ versammelt. Der Bierkran läuft unaufhörlich. Zweiundzwanzig von dreiundzwanzig Abiturienten sind versammelt. Alle zweiundzwanzig haben ihr Abitur bestanden. Der Herr Oberschulrat war sehr zufrieden.
    Heute ist großer „Probekommers“. Ohne Pauker. Morgen kommt das „Offizielle“. Morgen werden sie alle dabei sein, der Hoi, der Schwamm, Bruno, Kilian, alle...
    Kilian sitzt auch heute schon in der Runde.
    Er singt mit und trinkt mit. Kilian nimmt Abschied von „seinen Kerls“.
    Da gibt es plötzlich ein Triumphgeheul. Da schmettert Willi II einen Tusch auf der Drahtkommode. Da ist plötzlich jemand gekommen — Gupp!
    „Kameraden, laßt mich dabei sein!“
    Ruhe! Wer spricht denn da noch? Gupp will etwas sagen.
    „Freunde! Ich bin zwar im Abitur durchgefallen. Aber — ihr könnt mir dennoch gratulieren! Ich bin gestern — Vater geworden! Und demnächst bin ich Feinkosthändler en gros et en detail. Ich empfehle mich bestens.“

    ☆

    Rheinstadt ist schlafen gegangen. Der Mond spielt mit seinem Licht auf dem Schiefer der Dächer. Es riecht nach Frühling. Sternenklar liegt der Himmel im blauen Meer der Unendlichkeit. Tausende Lichter flimmern. Die Nacht atmet schwer und rein.
    Schwer, aber gar nicht rein ist die Luft bei Theobald im ersten Stoch, hinteres Zimmer. Zigarettenqualm, Zigarrenwolken.
    Da sitzen sie. Die Pauker. Da sitzen sie. Die Her-ren Abiturienten. Tithemi hat längst vergessen, daß er Direktor ist. Er will es auch schon längst gewußt haben, daß es die Oberprima war, die damals die Anzeige aufgegeben hat.
    Kilian hat schon vor einer Stunde den Rock abgelegt. Bruno hat sein schönstes weißes Tuch, echte Seide, längst aus der Brusttasche gezogen und benutzt es zum Schweiß wischen.
    Balduin ist nicht mehr vernehmungsfähig. Er hat einen dicken Strich gezogen, alles vergessen und verziehen. Die Verlobung seiner Tochter hat ihn bewogen, den „Tag der Rache“ ausfallen zu lassen.
    Hoi hat es ja immer gesagt, daß die Klasse ausgezeichnete Lateiner hat.
    x 2 sitzt neben Civilis. Wenn das so weitergeht, trinken die beiden noch Brüderschaft... Gamaschke hat noch einmal das Wort:
    „Meine lieben und verehrten Pauker! Liebe Abiturienten! Jedes Jahr wollen wir uns Wiedersehen! Wir wollen Rheinstadt die Treue halten! Wir wollen immer daran denken, wie schön es hier war! Wir gehen auseinander — aber durch die Erinnerung an Rheinstadt wollen wir uns immer wieder zusammenfinden! „

    ☆

    Rheinstadt ist wieder erwacht.
    Nebelschwaden ziehen über Strom und Stadt. Über die Promenade am Rhein torkeln drei oder vier Gestalten. Sie haben die ganze Nacht gefeiert, dicke Köpfe und keinen Pfennig Geld mehr. Aber sie haben nun ihre „Freiheit“.
    Sie brauchen nicht mehr in die Schule zu gehen. Tithemi kann ihnen nichts mehr sagen. Tacitus und mathematische Formeln können sie nicht mehr ärgern.
    In ihrer Tasche steckt das Reifezeugnis.
    Nun sind sie reif für das Leben.
    Sie können hinaus.
    Sie fühlen, daß irgend etwas anders in ihnen geworden ist...
    Und morgen werden sie zwanzig Jahre alt.

35 Jahre später

Eine traurige Feststellung zum Schluß

    Unser Kreis ist sehr klein geworden. Von den dreiundzwanzig Oberprimanern von damals leben heute nur noch acht.
    Zwei starben schon vor dem Kriege — Bobby als Polizeioffizier in Berlin nach einer schweren Magenoperation, der zweite wurde das Opfer eines Unglücks in Norddeutschland.
    Neun fielen im zweiten Weltkrieg — darunter auch „Krischan“, „Willi II“ und „Sauerbrunnen“. Zwei starben in russischer, einer in französischer Kriegsgefangenschaft.
    Die restlichen acht haben erstaunliche Karrieren gemacht. Zwei sind berühmte Universitätsprofessoren, einer ist ein oft genannter Strafrichter, zwei sind als Großkaufleute sehr reich geworden. Gupp wurde mit Frau und Kind nach Argentinien verschlagen und ist dort Besitzer unübersehbarer Rinderherden. Der siebte
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