Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flegeljahre am Rhein

Flegeljahre am Rhein

Titel: Flegeljahre am Rhein
Autoren: Bernd Ruland
Vom Netzwerk:
von Rheinstadt... Es war alles sehr schön, alles... Aber wenn ich nun in der Großstadt bin, in Berlin
    Da schlägt die letzte Tür zu.
    Der Mann mit der roten Mütze hebt seinen Stab. Da soll seinetwegen, da soll von Civilis aus die ganze Welt zum Teufel gehen... diese treulose Welt!
    Winke, winke!
    „Rheinstadt war wunderschön. Leb’ wohl, mein Lieber!“
    Ach, du verdammtes Luderchen, fahr’ doch schon los! Meinetwegen schreib’ mal. Schreibst du nicht — auch nicht schlimm! Civilis macht plötzlich ein ganz überlegenes Gesicht. Ihr nachtrauern? Unsinn! Civilis denkt daran, daß er morgen „reif für das Leben“ erklärt werden soll... Ärgern? Über die da, die mich Kiekindiewelt genannt hat? Civilis wird in den nächsten Tagen zwanzig Jahre alt. Verdammt nochmal, da soll doch einer...
    Der Zug fährt schon.
    Da winkt noch eine Hand.
    Hilde.
    Civilis winkt nicht zurück. Er bohrt die Hände tief in seine Taschen. Er geht festen Schrittes über den Bahnsteig. Laß sie glücklich werden in ihrem Ballett...

    ☆

    „Ja, Kleines, mein Abitur werde ich ganz bestimmt mit »gut« bestehen. Du sollst sehen, wie ich danach arbeite! In fünf Jahren bin ich so weit, daß wir uns verloben können. Vielleicht willst du mich später gar nicht mehr. Vielleicht ist dir ein Redakteur nicht gut genug...“
    Gamaschke drückt das Kleine, drückt sein Ännchen ganz fest an sich. Die beiden sitzen wieder in der Laube, oben auf dem Berge. Es ist zwar noch etwas kalt. Man muß den Mantelkragen hochschlagen. Aber Gamaschke und Ännchen merken nichts von der Kälte. Sie fühlen nur, daß ein seltsames Raunen in der Luft liegt. Sie wissen, daß es schon der Frühlingswind ist, der durch die kahlen Bäume weht.
    Unten fließt der Rhein.
    Eben macht sich die Fähre auf den Weg, Autos und Menschen über den Strom zu tragen.
    Der Mond hat seine Scheibe ganz blank poliert. Frostig klar und blau wölbt sich das Firmament. Alles ist so schön.
    Alles scheint so glücklich.
    „Ich will auf dich warten“, haucht Ännchen ihrem Gamaschke ins Ohr. „Ich hab’ dich ja so lieb...“

    ☆

    „Meine Kerls! Ihr wißt, was für einen großen Tag ihr heute erlebt! Ich freue mich, daß ihr alle so wohlgelaunt dreinschaut! Schöne Worte will ich euch nicht mehr sagen — ihr wißt ja selbst am besten, was euch bewegt..
    Kilian steht zum letzten Male vor seiner Klasse. Seine Kerls sehen feierlich aus. Alle tragen einen schwarzen Anzug. Alle zeigen erwartungsvolle Gesichter. Zum letzten Male sitzen sie in ihren Bänken. Gleich werden sie einzeln in das Prüfungszimmer gerufen.
    „Wer fehlt noch?“
    Kilian übersieht die Reihen.
    Einer mustert den anderen.
    Gupp ist nicht da.
    Wo ist Gupp? Weiß einer, wo Gupp bleibt? Keiner weiß es. Auch Gamaschke nicht. Kilian macht ein sehr bedenkliches Gesicht.
    „Jungs! Macht eure Sache gut!“
    Kilian geht.
    Stimmen. Fragen. Antworten. Eine tatenfreudige Stimmung liegt über den zweiundzwanzig. Keiner denkt an Gupp. Jeder denkt an das Abitur. Jeder ist gespannt, in welchem Fach er geprüft wird. Jeder weiß plötzlich ganz genau, daß er gerade das gefragt wird, was er nicht weiß. Sauerbrunnen leiert Geschichtsdaten herunter. Gamaschke erzählt Bobby schnell noch einmal, wie das mit den Pendelgesetzen ist. Natürlich wird Bobby über die Pendelgesetze gefragt. Natürlich wird Willi II in Griechisch geprüft. Er fühlt es ganz sicher. Er muß schnell noch wissen... He, Krischan, wie heißen die Stammformen von „tithemi“? Tithemi wird sie ganz bestimmt hören wollen. Er hat bisher noch in jedem Abitur danach gefragt. Das hat ihm sogar seinen Namen eingebracht.
    Da spricht man über dieses, dort über jenes. Wissen schwirrt hin, Wissen schwirrt her. Ein großes Trommelfeuer, das alles Wissen auf einmal verschießen möchte — alles Wissen, das man in neun Jahren Penne aufgespeichert hat.
    Wer wird zuerst geprüft? Herrgott, ginge es doch los! Ob die Herren Pauker noch beratschlagen? Ob... Da geht die Tür auf.
    Gupp.
    Bleich, übernächtig, klein und müde.
    Gupp ist da! Mit einem Male versickert alles Wissen und alles Fragen. Gupp wird stürmisch begrüßt.
    „Hast du keine Angst?“
    Gupp will nichts mehr wissen.
    „Du wirst bestimmt in Trigonometrie geprüft! Sauerbrunnen kann dir schnell noch einmal alle Formeln erklären ..
    Gupp dankt, setzt sich auf den Kathederstuhl. Um ihn her schwirren Stimmen, Fragen, Meinungen, Antworten. Gupp ist längst wieder vergessen, und das Trommelfeuer ist
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher