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Flegeljahre am Rhein

Flegeljahre am Rhein

Titel: Flegeljahre am Rhein
Autoren: Bernd Ruland
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zwei kleinen Gläsern. Mit einer Flasche. Mädchen — damit kannst du der Oberprima nicht helfen! Sag’ lieber, wo Hoi unsere lateinische Klassenarbeit verborgen hat. Krischan kratzt sich verlegen den Kopf. Er darf auch gar nicht daran denken, in welcher Situation er sich befindet, welches gefährliche Unternehmen er begonnen hat. Wenn ihn soeben einer gesehen hätte, wie er an dem Schreibtisch stand, wie er dort schnüffelte, wie er die Schublade aufzumachen versuchte, wie er... wie er... Wenn Tithemi das auch nur ahnte, wäre es aus mit dem Abitur, aus mit den Plänen. Dann könnte er sein Köfferchen packen und schon morgen nach Hause fahren.
    Krischan leidet plötzlich an einem großen Angstgefühl. Fräulein Grete sieht ihn ganz unverständlich an. Was hat denn der Krischan nur? Durst auf jeden Fall auch. Prosit, Fräulein Grete. Der Likör ist ausgezeichnet. Krischan hat gar nicht gewußt, daß Hoi ein Kenner guter Marken ist. „Verzeihen Sie, Fräulein Grete...“
    Was hat Fräulein Grete nur? Eben, da er sie etwas
    Wichtiges fragen will, wird sie kreidebleich. Ihr Mund steht offen. Durch ihren Körper geht ein
    Zittern. Wo, wie, was--um Gottes willen, da
    geht die Haustür auf!
    Sie hören eine tiefe Stimme.
    „Schnell... da! Da...!“
    Fräulein Haustochter ist aufgesprungen, ringt verzweifelt die Hände. Alles ist aus, alles ist hin. Gretes Besucher hat endlich begriffen, was geschehen ist.
    Hoi ist gar nicht ins Theater gefahren. Hoi ist ins Haus gekommen.
    Krischan schlottert mit den Knien. Blickt sich um, sieht zur Decke, starrt auf den Boden. Nirgends ein Schrank, in den er sich flüchten könnte. Nirgendwo ein Ausgang, durch den er entschlüpfen könnte; nur die Zimmertür, die in den Hausflur führt...
    Krischan erspäht das Fenster. Hinausspringen? Ihm fehlt der Mut, das Fenster liegt hoch, Hoi ist nah, das Verhängnis da.
    Krischan taumelt. Da hat er etwas gesehen, da steht eine Chaiselongue... Er ist auf sie gesprungen und weiß es nicht. Er ist auf der anderen Seite abgerutscht und weiß es nicht. Er liegt auf dem Boden, kriecht unter die Chaiselongue...
    Er hat alles nicht begriffen, liegt aber in dunkler, sicherer Hut auf dem Boden. Fräulein Grete begreift nicht, was geschehen ist. Das ging alles so schnell.
    Jeden Augenblick muß die Tür aufgehen. Jeden Augenblick kann Hoi hereintreten. Da steht noch die Likörflasche. Die beiden Gläser. Halbvoll. Zu spät. Sie können nicht mehr fortgeräumt werden. Grete tritt schnell an den Bücherschrank, bückt sich, tut so, als ob sie auf einem der unteren Regale ein Buch suche.
    Die Tür wird geöffnet.
    Hoi.
    Und noch einer.
    Schwamm.
    Hoi schnüffelt.
    „Nanu, was machen Sie denn hier, Fräulein Grete...?“
    Fräulein Haustochter hat ihre Fassung wieder. „Ich suche ein Buch... Ich möchte gern etwas lesen..
    „Bitte, nehmen Sie doch Platz, Herr Kollege!“
    Um Gottes willen, wenn sich Schwamm nur nicht auf die Chaiselongue setzt! Schwamm läßt sich in den Sessel sinken, in dem noch vor zwei Minuten Krischan gesessen hat.
    Hoi schnüffelt weiter.
    „Likör? Aber, Fräulein Grete! Und zwei Gläser...?“
    Grete hat vergessen, daß sie ein Buch suchen will.
    „Eben war eine Freundin hier, Herr Studienrat. Sie wissen ja, die aus...“
    Ja, Hoi weiß.
    „Ich verstehe Sie nicht... In meinem Zimmer?“ Das Fräulein Haustochter will die Gläser forträumen, hat die Flasche schon in der Hand. „Lassen Sie stehen! Bringen Sie zwei neue Gläser!“ Ganz im Sinne von Schwamm, der auf einen Kommentar verzichtet zu der Tatsache, daß eine Haustochter im Studierzimmer eines Studienrats mit ihrer Freundin Alkohol trinkt.
    „Also, Fräulein Grete, ich wünsche nicht, daß Sie Ihre Freundinnen in meinem Arbeitszimmer empfangen. Alle anderen Räume meines Hauses stehen Ihnen selbstverständlich zur Verfügung Nun, bitte, die zwei neuen Gläser. Danke — eingießen besorgt Hoi selber.
    „Sehen Sie, Herr Kollege, bei der Wahl der lateinischen Prüfungsarbeit ging ich davon aus..

Fortuna geht launische Wege

    Gut so. Sehr gut sogar. Die Klasse beweist, daß sie Latein kann, wenn sie es zeigen soll. Hoi macht ein sehr zufriedenes Gesicht. Er ist soeben in den Zeichensaal gekommen, um als letzter die Aufsicht bei der lateinischen Prüfungsarbeit zu führen. Hoi geht, pardon: er schreitet durch die weit auseinanderstehenden Bänke. Jeder der Prüfungskandidaten sitzt allein in einer Bank, um jedes Pfuschen auszuschalten.
    Gut so. Wirklich gut so... Hoi
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