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Flegeljahre am Rhein

Flegeljahre am Rhein

Titel: Flegeljahre am Rhein
Autoren: Bernd Ruland
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keine Fisimatentchen.

    ☆

    Was ist denn nur mit Hilde los? Sie lacht übermütig, sie scherzt, sie kneift den Civilis keck ins Bein, sie summt und singt und weiß nicht, wohin mit aller Laune.
    Dort auf die Bank? Nein — zu kalt. Weitergehen bis Rebenheim? Schön, weitergehen bis Rebenheim. Civilis schlägt den Mantelkragen hoch, nimmt Hilde in den Arm.
    „Hast du eine Zigarette, Hildchen?“
    Civilis hat eine kalte Nase, Hilde aber nichts zu rauchen.
    „Es gibt ein gutes Mittel gegen kalte Nasen. Warte nur, gleich sind wir ja in Rebenheim.“
    Frau Wirtin vom „Wilden Mann“ muß Glühwein bringen, ganz heißen Rotwein. Frau Wirtin soll auch Zigaretten mitbringen. Wie, ohne Mundstück sind keine da? Elendes Nest, dieses Rebenheim. Schön, dann eben mit Mundstück.
    Was hat Hilde nur? Sie will ein zweites Glas warmen Weins. Sie kneift Civilis schon wieder. Sie nimmt ihre Handtasche. Sie zieht einen Brief heraus.
    „Da — lies mal! Fein, nicht?“
    Fein? Das kann Civilis nicht behaupten.
    „Jawohl, Mitte März schon. Wirklich prima, wie?“

    ☆

    Der Teufel soll es holen, wie schnell die Zeit vergeht. Da hat Sauerbrunnen heute morgen schon von dem großen Kalenderblatt über dem Katheder eine große „2“ abgerissen. Es ist also schon der 3. Februar. Ist denn das überhaupt möglich? Morgen... übermorgen... noch ein Tag... dann gibt es schon die erste Prüfungsarbeit.
    Und in sechs Wochen... alles vorbei? Weg von der Penne, „reif für das Leben“ und noch herrlich jung... Da sollen sie nun verstreut werden in alle Winde. Sie können es sich noch nicht vorstellen. Sie können so manches gar nicht begreifen. Wo sind die ganzen Jahre geblieben? Wie kommt es, daß wir schon Oberprimaner sind und kurz vor dem Abitur stehen? War es nicht erst vor einigen Wochen, daß man die erste bunte Mütze trug und sich stolz Sextaner nannte? Und heute schon neunzehn Jahre alt? Bald zwanzig? Einer von ihnen dreiundzwanzig? Gupp sogar siebenundzwanzig Jahre alt?
    Die Oberprimaner denken wehmütig daran, daß es kein Zurück mehr gibt, und stellen bestürzt fest, daß bald alles zu Ende sein wird. Daß man sie nodi genießen und erfassen und ganz erleben soll, diese letzten Wochen der Penne. Daß man zu viel und zu früh und zu sehr über die Schule geschimpft hat. Daß man... Wozu das alles?
    Wir können dem Rad der Zeit nicht in die Speichen fallen und können es nicht aufhalten. Und wir können nicht verhindern, daß in sechs Wochen alles vorbei ist. Morgen wird Sauerbrunnen die „4“ abreißen, übermorgen die „5“, dann die „6“. Immer weiter. Blatt um Blatt. Tag um Tag.

    ☆

    Im Kino war es sehr schön. Sehr beziehungsreich, daß „Emil und die Detektive“ lief. Auch Krischan fühlt sich als Detektiv.
    Der Kinobesuch hat auch Erfolg gehabt. Krischan ist so weit... Er darf die Bibliothek von Hoi besichtigen. Wenn Herr und Frau Hoi nicht da sind. Wenn sie morgen abend ins Theater nach Bonn fahren. Hoi hat auch gute Zigarren in seinem Arbeitszimmer. Na also.
    Krischan ist gerüstet. Mit Mut und viel Hoffnung auf Erfolg. Krischan schellt. Zweimal. Er ist sehr nervös, wirft beinahe den Schirmständer um. Er soll seinen Mantel ablegen. Nein, nicht in die Garderobe hängen. Fräulein Haustochter hat einen anderen Platz. Wenn einer kommen sollte... besser, wenn kein fremder Mantel in der Garderobe Verdacht erregt.
    Krischan sieht sich die Bücher an. Er tut jedenfalls so. In Wirklichkeit schielt er auf den Schreibtisch von Hoi. Seine Gedanken sind irgendwo anders als bei den Büchern oder bei Fräulein Haustochter. Will er sich denn nicht setzen? Danke, Fräulein Grete, noch nicht. Krischan hat noch lange nicht alle Buchrücken gelesen.
    Fräulein Grete bittet, sie einen Augenblick zu entschuldigen. Sie wird gleich wieder da sein. Sie will nur etwas holen. Bittesehr — Krischan weiß nicht, was er lieber hätte.
    Krischan durchstöbert alles das, was auf dem Schreibtisch liegt. Hefte, Kladden, Zettel, Bücher. Keine Spur von der Arbeit.
    Er will die Schublade aufziehen. Verschlossen. Krischan schwitzt aus allen Poren, will den kleinen Schrank öffnen. Verschlossen.
    Dort steht noch ein Regal. Krischan, wieselflink, wittert neue Chancen. Seine Augen huschen fieberhaft über alles das, was da liegt. Über die Hefte, über die Bücher. Er nimmt schnell einiges in die Hand. Broschüren, Aufsätze — dummes Zeug, mit dem Krischan nichts anfangen kann. Krischan flucht, er... Da ist Fräulein Grete wieder. Mit
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