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Fleckenteufel (German Edition)

Fleckenteufel (German Edition)

Titel: Fleckenteufel (German Edition)
Autoren: Heinz Strunk
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auf. Ich hatte einen ganz schlimmen Traum, es ging um unser Hochhaus, die elende Zementnutte. Es steht in hellen Flammen, Feuerfontänen schlagen aus den Fenstern, eine pechschwarze Rauchsäule hängt über dem Gebäude. Ich habe mich retten können, stehe nun auf der Straße und glotze nach oben. Da sind ja noch Menschen! Verzweifelt rennen sie in ihren ausgebrannten Wohnungen hin und her und hangeln sich über die Balkone in die Nachbarwohnungen. Einen Mann verlassen dabei die Kräfte, und er stürzt mit einem entsetzlichen Schrei in die Tiefe.
    Mein Trainingsanzug ist klitschnass, meine Haare auch, und am ganzen Körper verspüre ich einen gewaltigen Juckreiz. Ich kratze mich wie ein Verrückter und reibe meinen Rücken an der Matratze. Jetzt bin ich in der allerletzten Nacht auch noch krank geworden! Grippe, Mittelohrentzündung, irgendein Virus, hoffentlich nehmen sie mich morgen wegen der Ansteckungsgefahr überhaupt mit. Vielleicht muss ich ja auch ins Krankenhaus zu Pastor Schmidt. Wegen der starken Gliederschmerzen tippe ich auf Sommergrippe. Und nun? Um mich herum ruhiges und gleichmäßiges Atmen. Ich schaue auf die Uhr, erst Viertel vor vier, meine Güte. Ich zieh mir die klamme Hose runter und versuche mich in den Schlaf zu wichsen, schupper schupper, reib reib, pump pump. Bringt weder Spaß noch Ablenkung, es juckt und zieht und brizzelt und reißt, wie soll ein einzelner Mensch das nur aushalten? Verzweifelt drehe ich mich von der rechten auf die linke Seite und wieder zurück, auf den Bauch, auf den Rücken. Mich friert, ich muss unbedingt aus den nassen Klamotten raus. Leise stehe ich auf und wechsle die Sachen. Für den Schlafanzug ist es viel zu kalt, in ein paar Stunden geht’s los, da kann ich mir auch gleich meine normalen Klamotten anziehen. Dann lege ich mich wieder hin, vielleicht kann ich ja nochmal einschlafen. Im rechten Fuß erwischt mich eine mächtige Juckattacke, er zuckt wie ein frischgefangener Aal oder ein anderer Fisch. Der nächste Anfall am Kopf, ich kratze mit beiden Händen wie ein Irrer, es kommt mir unnatürlich laut vor, bestimmt habe ich mich blutig geschuppert. Was ist das eigentlich jetzt schon wieder für eine Quälerei? Vielleicht wird’s ja besser, wenn ich mich wasche.
    Die Baracke ist dunkel und wulstig. Peter Edam ist nicht mehr auf seinem Posten, wozu auch? Während ich splitterfasernackt vor der modrigen Waschrinne stehe, bekomme ich einen Steifen, obwohl ich friere wie ein Schneider. Eine Morgenlatte, hat nichts mit Geilheit zu tun, ich muss einfach nur tierisch pissen. Ah, waschen tut gut. Zur Sicherheit schmiere ich mir noch eine Ladung Nivea in die Kimme, bereit zur Abfahrt, denke ich, und lache bitter und menschenverachtend. Der Juckreiz ist abgeklungen, dafür sind die Schmerzen stärker geworden. Ganz komisch fühlt es sich an, ich kann mich nicht erinnern, jemals unter solch seltsamen Schmerzen gelitten zu haben. Er sitzt überall und nirgends, in Armen, Beinen, Bauch, Nacken, Knochen, Rücken, Hals, Füßen, unmöglich, das zu orten.
    Ins Zelt kann ich nicht, da werde ich ja verrückt. Also gehe ich an den Strand. Die Vögel plärren und fiepen und schreien und krächzen in einer ohrenbetäubenden Lautstärke, als wollten sie mich warnen oder irgendwas sagen. Erlösungsgeflüster, denke ich und weiß nicht, was das soll. Es ist so kalt, dass ich kurze Sprints einlege, um mich aufzuwärmen, ein paarmal falle ich hin.
    Es wird schon wieder hell. Dann kann ich auch gleich aufbleiben, und wer weiß, ob nicht etwas Schlimmes passiert, wenn ich mich wieder hinlege und einschlafe.
    Heiße und kalte Schauer rieseln mir über den Rücken, ich glühe vor Aufregung, mein ganzer Körper juckt und brizzelt und reißt und zerrt, als würde ich auseinandergezogen. Und dann dämmert es mir.
    Das ist es, das muss es sein!
    Regungslos sitze ich im feuchten Sand und werde ganz still. Endlich ist es so weit. Ich wachse.

Informationen zum Buch
    «Deep in my heart, I do believe, we shall overcome some day. Ich atme tief ein. Meer, Holz, Salz, Mücken, verbranntes Stockbrot. Mein Arsch brennt wie das Osterfeuer, aber plötzlich laufen mir Tränen über das Gesicht: Ich spüre, dass ich so etwas wahrscheinlich nie wieder erleben werde. Wenn ich irgendwann einmal erwachsen bin, wird sich mein Herz verschließen, und ich werde mich mit der Erinnerung an die paar glücklichen Momente von Kindheit und Jugend begnügen müssen.
Ich weiß, dass ich recht habe.»

    Wir schreiben das
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