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Fleckenteufel (German Edition)

Fleckenteufel (German Edition)

Titel: Fleckenteufel (German Edition)
Autoren: Heinz Strunk
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heulenden Ostseewind ein behagliches Höhlengefühl erzeugen, so was. Außerdem riecht man ja nichts. Haha, noch nicht! Ich freue mich schon auf den Augenblick der Wahrheit, wenn ich mir mit einer einzigen Bewegung den Schlafsack vom Leib reißen und katapultartig aus dem Zelt schnellen werde. Burning Detlef wird es mit seinen Verbrennungen nicht rausschaffen. Verheddert in seinen Schlafsack, fällt er auf die Nase: «Hölfe, Hölfe, ich halt es nicht aus. Pastor Schmidt, Herr Pastor Schmidt, Hölfe, Hölfe, gleich kann ich nicht mehr.» Seine Hilferufe werden leiser, bis sie ganz verstummen.
    Pppffftttt. Zur Abwechslung mal wieder ohne Geräusch. Nur noch mühsam halte ich die Wolke des Verderbens unter Verschluss.
    PPPffffeeeehht. Die Kriecher werden immer heißer und feuchter. Die Stichflamme beim Abfackeln wäre noch in vielen Kilometern Entfernung zu sehen und würde Schiffe gegen Klippen und damit ins Verderben locken.
    PPPffeeeeeeehhh.
    Das Arschwasser sammelt sich in allen Ritzen und Fugen, noch drei, vier Entladungen sind maximal drin, bevor Land mitkommt. Ich bin Mr.   Fart, the Fartmaster, Herrscher über die schwarzen Nebel der Ostsee.
    Pfffhhheeeeetttzzz.
    Das ging gerade nochmal gut. Jetzt muss ich aber echt aufpassen.
    «Ey, du Sau do, hör ma auf jetzt.»
    Torsten schaut mich aus gebrochenen Augen an. Ich tu unschuldig.
    «Wieso, was ist denn nun schon wieder?»
    «Jetzt stinkt das auch noch. Voll der Eierschiss, Alda, du bist ja schon innerlich verwest, do.»
    «Ja ja, is ja gut.»
    «Is ja gut, is ja gut, los, lüfte mal durch, ey.»
    «Ja, gleich.»
    «Nee, jetzt sofort.»
    Sekunden der Entscheidung.
    Pppppffffeeehhhzzzzzrrr.
    «So, Alda, jetzt ist echt gut! Sofort raus!»
    Es ist, als hätte ich die Griffe tausendmal geübt: Mit einer einzigen Bewegung öffne ich auf ganzer Länge den Reißverschluss, gleite mit echsenhaften Bewegungen aus dem Schlafsack und stürze aus dem Zelt.

    «LOS, ALLE MANN RAUS HIER, DIE SAU DO, DIE SAU. DAS WAR’S, WENN ICH DEN ERWISCH.»
    Ich fühle mich wie ein Bomberpilot im Zweiten Weltkrieg. Nachdem der die tödliche Last hat fallen lassen und nach einer Nordschleife Richtung Heimat abdreht, rasen die Bomben hinab zur Erde. Im Moment des Aufpralls wird der komplizierte Zündmechanismus ausgelöst.
    Doch da steige ich schon die Stufen zur Baracke hinauf. Sagenhaft, wie alles geklappt hat, das hätte ein einzelner Mensch gar nicht besser ausrechnen können.
    «Na?», sagt der dumme Peter, und ich antworte:
    «Na?!»

    Ein beherzter Pressschub, dann ist die Sache erledigt. Bravo, guter Stuhl riecht neutral und beschmutzt den After nicht, fällt mir wieder ein. In einer Ecke finde ich traurige Überreste einer blaugrünen Seife, angelaufen, rissig, stumpig, liegt bestimmt schon seit den Fünfzigern hier. Die Rosette wird trotzdem sauber. Was nun? Ins Zelt traue ich mich noch nicht, vielleicht haben die was Fieses ausgeheckt und warten schon auf mich.
    Ich gehe an den Strand. Das Meer ist glatt und ruhig, die Mondscheibe käsig, bleich und beschlagen. Das einzige Licht kommt vom Glimmen einer Zigarette. Ich warte ein paar Minuten, dann wird die Zigarette weggeschnippt. Vielleicht Schrader. Könnte aber auch jeder andere gewesen sein, sind schließlich alles Raucher hier.
    Noch zweimal schlafen, dann war’s das mit der Freizeit, für immer und ewig, flüchtig und bedeutungslos, irgendwann ist sowieso alles vorbei, und ein ewiges Leben kann ich mir nicht vorstellen, ich würde gern, aber ich kann’s nicht, ich kann’s einfach nicht! Scharbeutz 1977, bald schon wird sich niemand mehr daran erinnern. Wir werden nie wieder in der gleichen Besetzung zusammenkommen! Pastor Schmidt geht in Rente! Herr Schrader stirbt! Susanne Bohne heiratet!
    Flüchtig und bedeutungslos, wie die Bundesjugendspiele 1972, als ich im Weitwurf siebzig Meter geschafft habe: Ich laufe an, hole mächtig Schwung und zieh ab: Der Ball zischt los und fliegt und fliegt und fliegt und will gar nicht mehr runterkommen, ein «Ohhh …» liegt in der Luft. Als er schließlich nach exakt siebzig Metern den Boden berührt, applaudieren ein paar der Umstehenden. Einer der Schiedsrichter hat mich freundlich angelächelt, als er mir die Urkunde überreichte, auf der es schwarz auf weiß geschrieben stand, doch bereits nach wenigen Stunden ist die Erinnerung an meinen Meisterwurf von anderen herausragenden Leistungen verdrängt worden. Vielleicht haben sich einige Klassenkameraden noch ein paar Tage später an
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