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Flavia de Luce   Halunken  Tod und Teufel

Flavia de Luce Halunken Tod und Teufel

Titel: Flavia de Luce Halunken Tod und Teufel
Autoren: Bradley Alan
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hinteren Wand des Raumes verlief.
    Ich kletterte hinauf, saß einen Augenblick rittlings auf dem Rohr – und ließ mich auf der anderen Seite hinuntergleiten.
    Der Gang, in den das Rohr führte, war noch niedriger, enger und feuchter. Von den Wänden perlten Tropfen, und der Boden bestand aus feuchtem, spärlich mit Ziegelsteinen durchsetztem Lehm.
    Vor mir ragte ein Eisengitter auf, ein großes Tor, das mit
einer Kette und einem gewaltigen, altmodischen Vorhängeschloss auf der anderen Seite versperrt war.
    Ich rüttelte erfolglos an dem Schloss. Ohne Schlüssel kam ich hier nicht weiter.
    »Verflixt!«, sagte ich. »Verdammt und zugenäht!«
    »Flavia?«, fragte da jemand.
    Ich machte mir vor Schreck beinahe … ihr wisst schon.
    Ich leuchtete mit der Taschenlampe durch das Gitter. Der Lichtkegel erfasste eine auf dem Boden kauernde Gestalt.
    Mein Lebtag werde ich das leichenblasse Gesicht nicht vergessen, das geblendet zu mir aufblickte. Es war ihm irgendwie gelungen, seine Brille zu verlieren, und mit den hellen, blinden und blinzelnden Augen erinnerte er an einen neugeborenen Maulwurf, den man aus seinem Loch gezogen und unvermittelt dem grellen Tageslicht ausgesetzt hat.
    »Colin?«, fragte ich verdattert. »Colin Prout?«
    »Mach das Ding aus!«, flehte er und drehte sich weg.
    Ich schwenkte den Strahl zur Seite, sodass der Junge wieder im Dunkeln saß.
    »Hilf mir«, bat er kläglich.
    »Geht nicht. Das Gitter ist abgesperrt.«
    Ich rüttelte mit der freien Hand an den Stäben, in der Hoffnung, das Tor würde wie durch Zauberhand aufspringen, aber das geschah natürlich nicht.
    »Versuch es von deiner Seite«, sagte ich. »Vielleicht ist ja irgendwo ein Riegel …«
    Das überzeugte mich zwar selber nicht, aber etwas Besseres fiel mir im Moment nicht ein.
    »Ich kann nicht«, sagte Colin, und ich hörte, dass er mit den Tränen kämpfte. »Ich bin gefesselt.«
    »Gefesselt?« Ich glaubte mich verhört zu haben, dabei war ich doch selbst schon das eine oder andere Mal in dieser misslichen Lage gewesen.
    »Ich hab aber den Schlüssel in der Tasche.«

    Gelobt sei Gott!, dachte ich. Endlich hab ich mal Glück.
    »Roll dich ganz dicht ans Tor«, sagte ich, »dann versuch ich, an den Schlüssel ranzukommen.«
    Eine quälende Stille trat ein, dann wandte Colin ein: »Ich … ich bin aber an irgendwas drangefesselt.«
    Er fing an zu wimmern.
    Es war zum Verzweifeln!
    Aber halt: Das Schloss hing auf Colins Seite des Gitters, fiel mir wieder ein.
    »Hast du dich selber eingeschlossen?«, fragte ich.
    »Nein«, schniefte er.
    »Wie bist du dann dort reingekommen?«
    »Wir sind durch die Tür im Brunnen gekommen.«
    Wir? Durch die Tür im Brunnen?
    Ich beschloss, die wichtigste Frage als erste zu stellen.
    »Wer ist ›wir‹, Colin? Wer hat dir das angetan?«
    Ich hörte ihn schwer atmen, aber er schwieg.
    Mir wurde klar, dass es keinen Zweck hatte. Ich hatte nicht vor, den Rest meines Lebens vor einem Gitter zuzubringen und einem Gefangenen irgendwelche Antworten zu entlocken.
    »Ist ja auch egal«, sagte ich. »Wo finde ich denn diese Tür im Brunnen? Dann komme ich von der anderen Seite und lasse dich raus.«
    Ich fand es unglaublich, dass ich einen Fremden nach einer Geheimtür auf Buckshaw fragen musste – und geheim musste die Tür wohl sein, sonst hätte ich längst davon gehört. Solche Geheimnisse werden für gewöhnlich von einem Familienmitglied zum nächsten mündlich überliefert – man muss sie nicht einem fast Fremden, der sich in der Gesellschaft eines Wilderers herumtrieb, aus der Nase ziehen!
    »Seidons Zeh«, sagte Colin.
    »Wie bitte? Was soll das heißen?«
    Neuerliches Schluchzen machte mir klar, dass ich nicht mehr aus ihm herausbekommen würde.

    »Bleib hier«, sagte ich unsinnigerweise. »Ich bin gleich bei dir.«
    »Warte!«, rief er. »Gib mir die Taschenlampe. Lass mich nicht allein!«
    »Ich kann dir die Lampe nicht dalassen, Colin, sonst finde ich den Rückweg nicht.«
    »Bitte! Ich fürchte mich im Dunkeln!«
    »Pass auf: Mach die Augen zu, und zähl bis fünfhundertfünfzig. Wenn du die Augen zumachst, ist es nicht dunkel. Und ehe du fertig bist, bin ich bei dir. Los, wir fangen zusammen an: Eins … zwei … drei …«
    »Ich kann aber nur bis hundert zählen.«
    »Dann singen wir eben. Sing mit:
    »God save our gracious King,
Long live our noble King,
Long may he …
    Du sollst doch mitsingen!«
    »Ich kenn den Text nicht.«
    »Dann sing etwas, das du kennst. Wenn du singst, bin
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