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Flavia de Luce   Halunken  Tod und Teufel

Flavia de Luce Halunken Tod und Teufel

Titel: Flavia de Luce Halunken Tod und Teufel
Autoren: Bradley Alan
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bestimmt mal einer feinen Dame gehört«, sagte Porcelain in eigenartigem Singsang, sodass es fast wie eine Beschwörung klang. »Seidenkleid … gepuderte Perücke … weißes Gesicht, und ein schwarzer Punkt auf der Wange. Sie will …«
    »Lass das! Ich habe keine Lust auf deine albernen Spielchen. «
    Porcelain stand reglos da und starrte ins Leere. Ihre schwarzen Augen leuchteten in dem weißen Gesicht. Sie war von oben bis unten voller Staub, und der Stoff von Harriets rotem Kleid sah im flackernden Kerzenschein eher stumpf und grau aus.
    »Sieh dich nur mal an«, sagte sie in vorwurfsvollem Ton.
    Ich musste unwillkürlich denken, dass ich neben dem Geist meiner Mutter stand.
    Ein Rasseln ließ uns beide zusammenfahren.
    Das Geräusch kam aus dem finsteren Gang vor uns und klang, als würden Ketten durch die Gitterstäbe eines Käfigs gezogen.
    »Los, wir hauen ab«, sagte Porcelain.
    Ich schüttelte den Kopf. »Erst will ich wissen, was da los ist.«
    Sie entwand mir den Leuchter und machte kehrt.
    »Entweder du kommst mit oder du stehst im Dunkeln.«
    Mir blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen.

29
    A ls ich das Zeug in den Glasbehälter schüttete, wurde die Farbe des Kleides heller.
    »Siehst du?«, sagte ich. »Es funktioniert.«
    »Was machst du da?«, fragte Porcelain.
    »Chemische Reinigung.« Ich stupste Harriets Kleid mit einem Glasstab an und bewegte es vorsichtig hin und her. »Genauer gesagt: Tetrachlorkohlenstoff.«
    Jedes Mal, wenn ich diese Bezeichnung aussprach, dachte ich mit Vergnügen daran, dass der Stoff erstmalig im Jahre 1839 von einem Franzosen namens Henri-Victor Regnault künstlich hergestellt worden war, einem ehemaligen Sattler, der Tetrachlorkohlenstoff aus der Reaktion von Chlor mit Chloroform gewonnen hatte. Seine Entdeckung fand zunächst beim Ausräuchern von Lebensmittelfässern Verwendung, in denen sich Ungeziefer eingenistet hatte; heutzutage befüllte man damit auch Feuerlöscher.
    »Vater prüft damit die Wasserzeichen auf seinen Briefmarken. «
    Ich erwähnte nicht, dass ich die Flasche aus einem seiner Schränke entwendet hatte, weil ich ein Experiment mit Stubenfliegen durchführen wollte.
    »Siehst du, wie sauber das Kleid schon ist? Bald ist es so gut wie neu.«
    Porcelain, die sich einen alten Morgenmantel von mir umgeworfen hatte, schaute ehrfürchtig zu.
    Ich hatte ein saubereres Kleid angezogen und das eingestaubte
ausgewaschen. Es hing jetzt tropfend über einem Laborspülbecken. Später würde ich es zum Trocknen an einen Gaskronleuchter hängen.
    »Ihr de Luces seid schon ein komischer Haufen«, sagte Porcelain.
    »Wie jetzt? – Vor kaum einer Stunde hast du zwei von uns als wohlerzogene junge Damen bezeichnet!«
    »Das war, bevor du mir den Keller gezeigt hast.«
    Ich nahm zur Kenntnis, dass sie ihre Meinung nach der Führung durch die Folterkammer geändert hatte.
    »Wo wir gerade vom Keller reden«, sagte ich. »Ich bin ja wirklich nicht ängstlich, aber von der feinen Dame, der die Sänfte früher gehört hat, wollte ich trotzdem lieber nichts hören. «
    »Ich hab mir das nicht ausgedacht, um dir Angst zu machen. Ich hab nur ausgesprochen, was ich gesehen habe.«
    »Gesehen? Ich soll dir doch wohl nicht glauben, du hättest eine Frau mit Puderperücke und Seidenkleid gesehen?«
    Für eine Wissenschaftlerin wie mich war das starker Tobak. Ich hatte noch an Brookie Harewoods »Grauer Frau von Buckshaw« zu knabbern und an der frierenden Heimwehkranken in Fenellas Glaskugel, von den Kobolden einmal ganz abgesehen. Machte ich auf andere den Eindruck eines leichtgläubigen Dummchens, oder gab es wirklich Dinge, die der gesunde Menschenverstand nicht begreifen konnte?
    »Doch«, antwortete Porcelain. »Ich habe sie vor meinem inneren Auge gesehen.«
    Das konnte ich verstehen – ansatzweise. Auch ich sah manches zuerst vor meinem inneren Auge: zum Beispiel, dass man Trimethylamin herstellen konnte, indem man Bacillus prodigiosus erlaubte, sich an einem heißen Sommernachmittag auf einer Probe von Mrs Mullets Kartoffelbrei auszubreiten. Die daraus resultierenden blutroten Flecken – die man im Mittelalter unter dem Namen »Wunderblut« kannte und
die im Jahre 1819 während einer ganzen Woche auf verschiedenen Lebensmitteln in Padua aufgetaucht waren – verströmten nicht nur den Duft von Ammoniak, sondern ebenso den unverwechselbaren Geruch von Trimethylamin.
    Vielleicht gibt es ja gar keinen so großen Unterschied zwischen der Welt der
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