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Flammenpferd

Flammenpferd

Titel: Flammenpferd
Autoren: Susanne Kronenberg
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einmal schreien. Mühsam schnappte sie nach Luft und kämpfte gegen die Ohnmacht an. Eine dicke Schicht aus verrottetem Laub, das vom Wind vor den Kellereingang getragen worden war, hatte den Aufprall ein wenig abgefedert, und so taten die Füße weiterhin ihren Dienst, als sie zwei, drei vorsichtige Schritte machte. Der Schmerz war heftig. Sie streifte die Schlingen ab und humpelte die Stufen hinauf.
    Aus dem Stall drang kein Laut nach draußen. Das zweiflügelige Tor war geschlossen, was ungewöhnlich war. Hella vergaß ihre zerschundenen Füße und rannte über den Hof. Das Tor klemmte, als wäre es von innen verriegelt. Sie rüttelte und riss, bis die Tür nachgab und sich das Bild eines gespenstischen Friedens auftat. Die Pferde hatten sich beruhigt. Sie knabberten an den Resten des Morgenheus oder streckten die Köpfe über die Boxenwände und schauten mit gespitzten Ohren auf den Hengst, der mitten auf der Stallgasse stand. Das Mädchen hatte es geschafft, ihn an beiden Seiten des Halfters anzubinden, und die Stricke so straff gespannt, dass ihm wenig Bewegungsfreiheit blieb. Er blies durch die Nüstern und scharrte sich rastlos das Stroh unter den Bauch. Die Stallgasse, sonst bis in den letzten Winkel sauber gefegt, war auf der ganzen Fläche von einer dicken Strohschicht bedeckt. Darin brannten unzählige Kerzenstummel wie auf einer unheimlichen Adventsfeier. Das Mädchen war damit beschäftigt, ein weiteres Licht anzustecken und mit einer liebevollen Geste in ein Strohnest zu setzen. Zwei Schritte von ihr entfernt stand ein brauner Blechkanister.
    Der Deckel war abgeschraubt. Holly wandte Hella den schwarzen Kopf zu und wieherte erfreut. Offenbar rechnete sie damit, jetzt endlich ins Freie zu dürfen. Zwei andere Pferde stimmten mit ein. Fadista stieß ein erregtes Wiehern aus und versuchte sich aufzubäumen.
    Jana fuhr herum. Das Feuerzeug flammte auf. „Bleib stehen, sonst trete ich den Kanister um!“
    Hella rührte sich nicht. Ein Albtraum, dachte sie. Bin ich irre, oder die ganze Welt?
    „Jana, mach bitte sofort die Kerzen aus“, verlangte sie so ruhig, wie sie in der Lage war.
    Das Mädchen starrte sie an. Ihr Blick war glasig. Mit der verfilzten roten Mähne, die in wirren Zotteln vom Kopf abstand, und dem erschöpften kleinen Gesicht wirkte sie verloren und schutzlos. Ihre Nase war schmutzig wie von geronnenem Blut und die Wange geschwollen und blau verfärbt. Doch Hella spürte eine wilde Entschlossenheit.
    „Mein Name ist Kati“, erklärte das Mädchen feierlich.
    Wie lange brauchten die Kerzenstummel, bis sie ihr Strohbett erreichten? Sorgsam jedes Wort abwägend, redete Hella auf das Mädchen ein. Ob sie wirklich riskieren wollte, dass der Stall in Brand geriet? Dass die Pferde, Hella, sie selbst, dass sie alle sterben sollten?
    Das Mädchen, Kati, nickte. Genau dieses wäre ihre Absicht. Hella könnte gehen, wenn sie wollte, aber das Feuer nicht verhindern. Sie würde die Sache abkürzen und das Benzin verschütten.
    Bring sie zum Sprechen, war alles, woran Hella jetzt denken konnte. „Warum willst du sterben?“
    Kati dachte eine Weile nach. „Ich wollte es immer. Aber es ging schief, auch in Portugal. Aber heute wird es gelingen.“
    Nicht nachlassen, dachte Hella verzweifelt. Zeit gewinnen. „Wieso willst du ausgerechnet heute sterben?“
    „Weil ich die toten Augen nicht ertrage“, antwortete das Mädchen.
    Hella hielt sich nicht mit der Überlegung auf, was diese Erklärung bedeuten mochte. „Und Fadista? Warum darf er nicht weiter leben?“
    Kati lächelte. Die Frage gefiel ihr, und die Antwort sprudelte aus ihr heraus, als wäre sie froh, das erklären zu dürfen. Hella begriff nur so viel, dass er ihr im Traum erschienen wäre. Sie nannte ihn ihr Flammenpferd.
    „Und die anderen Pferde?“, fragte Hella tonlos. „Sind auch sie deine Flammenpferde?“
    Kati lachte schrill über so viel Unverstand. Es gäbe nur ein einziges Flammenpferd, und das wäre Fadista. Die anderen Pferde sollten ihn begleiten wie das Gefolge seinen König, damit er froh in den Tod ging. Beim letzten Versuch hätte er sich gefürchtet.
    Beim letzten Versuch? Hella wurde schwindelig. Wen hatte sie sich auf den Hof geholt? Eine Brandstifterin mit falschem Namen und eine Betrügerin, die ihren toten Freund rächen wollte. Wo steckte Swantje überhaupt?
    „Du solltest jetzt gehen!“, verlangte Kati. „Sobald du draußen bist, kippe ich den Kanister aus. Es wird ganz schnell gehen.“
    Hella vernahm eine
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