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Flammenpferd

Flammenpferd

Titel: Flammenpferd
Autoren: Susanne Kronenberg
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Bewegung in ihrem Rücken.
    Swantje schrie mit sich überschlagender Stimme: „Sie bleibt hier!“
    Hella erhielt einen heftigen Schlag auf den Kopf und sank bewusstlos ins Stroh.
     

40
     
    Sie lag auf dem Bauch, das Gesicht in stachlige Strohhalme gebettet, und spürte darunter den harten kalten Betonboden. Der Geruch von brennendem Wachs stieg ihr in die Nase. In den Boxen ringsum scharrten die Pferde und prusteten unruhig, und Fadista stampfte ungebärdig mit den Vorderhufen auf und riss an den Stricken, die seinen Kopf zu beiden Seiten fixierten. Ihre nackten Zehen und Fußsohlen waren vor Kälte gefühllos, doch um die Knöchel herum fühlte sie einen brennenden Schmerz. Ein Band schnitt tief in die Haut hinein. Ihre Füße waren gefesselt, und ihre Arme lagen zusammengebunden auf dem Rücken. Sie drehte den Kopf ein wenig und betrachtete ihre Fußgelenke, die mit leuchtend blauen Kordeln verschnürt waren, jenen Kordeln, die zuvor einen Heu- oder Strohballen zusammengehalten hatten und außerordentlich stabil waren. Sie durfte nicht darauf hoffen, dass sie die Kunststoffschnüre durchreißen könnte, aber eine Hoffnung gab es dennoch. Das Material war glatt und starr, und sie wusste aus Erfahrung, dass die Knoten schlecht hielten. So begann sie, die Hände mit winzigen Kreisen gegeneinander zu reiben, und machte dasselbe mit den Füßen. Es war ratsam, die Bewegungen unauffällig zu halten und dabei nicht im Stroh zu rascheln: vor ihr stand Swantje. Mit dem Rücken zu Hella, hielt sie die Hände herausfordernd in die Hüften gestemmt, und stritt lautstark mit Jana-Kati.
    Das Mädchen blieb dicht bei Fadista, der sich tänzelnd gegen die Stricke stemmte und zur Piaffe ansetzte wie ein Lipizzaner in den Pilaren. Vergeblich versuchte Kati, den Hengst zu beruhigen. Die Tränen liefen ihr über das verquollene Gesicht. Ihre Wangen waren tief gerötet, und als sie husten musste und der Hustenanfall nicht enden wollte, begriff Hella, dass das Mädchen krank war und Fieber hatte.
    Als Kati wieder zu Atem kam, wurde der Streit heftiger. Das Mädchen bestand darauf, ihren Tod in aller angemessenen Ruhe und allein mit den Pferden zu zelebrieren. Swantje wollte sie weder retten, noch selbst in den Tod gehen. Der Streit hatte einen anderen Hintergrund. Kati sollte Hella mit auf die Reise nehmen.
    „Was macht es schon aus, ob sie mit dir verbrennt“, fauchte Swantje. „Sie kann dich nicht stören. Sie ist gefesselt, und ich binde ihr den Mund zu. Sie wird nicht schreien.“
    „Ich will allein sein“, verlangte Kati trotzig.
    „Du tust, was ich sage, du miese kleine Mörderin“, befahl Swantje und machte einen Schritt rückwärts auf Hella zu, die hinter ihr am Boden lag und emsig die Hände und Füße bewegte. „Und ich rate dir: warte nicht, bis die Kerzen runter gebrannt sind. Schütte besser gleich das Benzin aus.“
    Swantje beugte sich über sie. Sie sieht aus wie immer, erkannte Hella. In ihrem Blick ist nichts Wahnsinniges mehr. Sie ist bei klarem Verstand.
    Hella hob den Kopf. „Warum soll ich sterben, Swantje? Warum willst du das?“
    „Du hast selbst gesagt“, lautete Swantjes Erklärung, „du wirst zur Polizei gehen. Ich lasse mich nicht verraten. Ich habe einen Traumjob in Aussicht, und ich lasse mir von dir nicht meine Zukunft kaputt machen.“
    Hella hatte sich bisher als pragmatisch eingeschätzt. Welche eine Dilettantin war sie gegen Swantje, die sich so schnell mit Jans Tod arrangiert hatte.
    „Ich verrate dich nicht! Bestimmt nicht“, flüsterte Hella.
    „Lügnerin!“
    Swantje löste ihr Halstuch und faltete es zusammen, um es als Knebel zu verwenden, und hielte es Hella über das Gesicht. „Wo sind die Medikamente?“
    Hella musste Zeit gewinnen. Wie vorhin das Mädchen, musste sie Swantje zum Reden bringen. „Binde mich los! Ich zeige dir, wo die Kartons sind. Das mit deinem Freund ist schrecklich!“
    „Sie hat ihn umgebracht!“, zischte Swantje.
    Warum kommt bloß niemand, dachte Hella verzweifelt. Sonst erschienen die Pferdebesitzer zu den unpassendsten Zeiten. Es musste doch auffallen, dass die Pferde noch nicht in den Ausläufen standen! Sobald Swantje nicht aufpasste, rieb sie die Hände und Füße gegeneinander. Die Fesseln lockerten sich, aber noch genügte es nicht, um heraus zu schlüpfen.
    Sie stemmte den Kopf in den Nacken und sah zu dem Mädchen hinüber. „Bitte, Kati! Bitte binde mich los!“
    Das Mädchen beachtete sie nicht. Sie hatte nur Augen für Fadista, der
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