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Flammenpferd

Flammenpferd

Titel: Flammenpferd
Autoren: Susanne Kronenberg
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durchströmte die Küche. Sie holte sich einen Becher und stellte Kaffeekanne und Milchtüte auf den Tisch. Nachdenklich betrachtete sie die kahle Wand gegenüber. Sie musste Ordnung in ihre Gedanken bringen und einen Schluss aus den heimtückischen Vorgängen ziehen. Die Sache war so bizarr. Wer mischte die Karten im bösen Spiel? Ihr erster Verdacht, Julian hätte den Hund ausgegraben, erschien ihr inzwischen als ebenso abwegig wie peinlich, und auch, was die verschwundenen Medikamente betraf, hatte sie daneben gelegen. Wäre Julian tatsächlich der Dieb, hätte er die Kartons vom Hof geschafft und nicht stümperhaft im Pferdeanhänger versteckt, in dem sie zu ihrer Verblüffung die Kartons entdeckte, als sie einen Blick auf den Transporter werfen wollte, bevor sie ihn Evelin zur Verfügung stellte. Nein, Julian war es sicher nicht gewesen, ebenso wenig hatte er den Hund ausgegraben.
    Es war Janas Lager, dort oben auf dem Heuboden, darin gab es für Hella keine Zweifel. Was das Mädchen allerdings mit einem toten Hund wollte, blieb ihr ein Rätsel. Sie durfte bei ihren Überlegungen nicht ausschließen, dass Swantje und ihr blonder Freund den Hund hinauf geschleppt hatten. Als Warnung vielleicht? Warnung wovor? Hatte Jana etwas mit den Medikamenten zu tun, oder war das Mädchen auf irgendeine Weise Swantje und ihrem Freund in die Quere gekommen – voraus gesetzt, die beiden waren tatsächlich in Nellis illegalen Handel verstrickt. Hella trank ihren Kaffee, bevor er noch stärker abkühlte, und stellte in Gedanken eine Hypothese auf.
    Jan van Heeren, also. Hella mochte nicht an zwei strohblonde, aus Hamburg stammende Männer glauben, die beide Jan hießen und beide in Amsterdam gemeldet waren. Swantjes Freund und der Mann im Jeep waren ein und dieselbe Person. Jan und Swantje waren auf den Reinckehof gekommen, um die Ware zu verhökern, die Nelli in Aufbewahrung genommen hatte. Kartons voll mit gefälschten, abgelaufenen oder auf andere Weise illegalen Medikamenten. So weit, so schlüssig. Aber es musste noch eine dritte Person geben: Jan van Heerens Mörder. Man brauchte keine Fantasie für den Schluss, dass der Mord mit den Medikamenten im Zusammenhang stand. Vermutlich war das Zeug eine Menge wert. Musste sie damit rechnen, dass ein Typ von der holländischen Medikamenten-Mafia mit der Waffe in der Hand das Haus stürmte und nach den Kartons verlangte? Mit steigendem Unbehagen dachte sie an die gestapelten Kartons in ihrer Kammer und tastete nach dem Schlüssel in der Hosentasche.
    Es wurde Zeit, die Polizei zu informieren, obwohl das unangenehme Fragen zur Folge hätte. Warum, Hella Reincke, horten Sie tagelang die Medizin in ihrem Schlafzimmer, anstatt umgehend die Behörden zu benachrichtigen? Was hatte Ihre Schwester mit all dem zu schaffen? War ihr Tod womöglich doch kein Unfall? Philipps Name käme ins Spiel, sein Tod könnte neue Fragen aufwerfen. Eine unendliche Kette würde sich auf tun, und am Ende wäre niemandem geholfen. Am wenigsten ihr selbst, ihrem Ruf und dem Ruf des Reinckehofs. Reha-Klinik, adieu!
    Du bist ein Feigling, Hella, dachte sie ernüchtert, und scheust die Unbequemlichkeiten, anstatt der Wahrheit Respekt zu zollen. Sie stand auf und ging hinüber ins Arbeitszimmer. Nach einigem Suchen fand sie in einer der Schubladen die Visitenkarte von Siegfried Gerber, jenem Hauptkommissar, der für die Pferdemorde zuständig gewesen war. Dass dieses Anliegen in sein Ressort fiel, bezweifelte sie, aber er war von einer väterlichen Freundlichkeit gewesen, und sie wollte mit einer vertrauten Person den Anfang machen.
    Vorher stand ihr ein anderes Gespräch bevor. Sie schaute auf die Armbanduhr. Kurz nach acht. An einem Samstag recht zeitig für einen Anruf bei Julian. Es ließ ihr keine Ruhe, sie wollte ihre Entschuldigung los werden. Zuerst versuchte sie es unter Julians Privatnummer, dann in seinem Büro, doch unter beiden Anschlüssen lief nur ein Band mit seiner freundlich-geschäftsmäßigen Stimme. Sie beendete die Verbindung, ohne sich zu erkennen zu geben.
    Der Gang nach Canossa erhielt einen Aufschub. Also stattdessen zuerst die Polizei. Sie griff nach Gerbers Visitenkarte, als das Telefon schellte. Hella zuckte zusammen. Julian, vielleicht? Es war Jette, die vor wenigen Minuten in Faro gelandet war. Vergnügt erzählte sie von dem Flug. Sie wartete auf Uschi, die sie in Kürze abholen sollte. Ihr bauamtlicher Freund hätte Swantjes Adresse per SMS durchgegeben; keine Anschrift in Delft,
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