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Flammenpferd

Flammenpferd

Titel: Flammenpferd
Autoren: Susanne Kronenberg
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gewesen. In lichterloher Schönheit hatte es sich gegen den dunklen Wald erhoben, die Fenster heraus gesprengt und das Metall zum Schmelzen gebracht. Sie hatte sich daran nicht satt sehen können und war in letzter Minute, als Feuerwehr und Polizei mit Blaulicht und Sirenen anrückten, in eine nahe Brombeerhecke gekrochen. Aus dem Versteck hatte sie zusehen müssen, wie sich die Flammen vergeblich gegen den Löschschaum wehrten, und sich davon geschlichen, bevor der Kampf beendet und alles Feuer erstickt war.
    Immer tiefer drang sie in den Wald ein, schlug sich durch dorniges Unterholz und zwängte sich durch eine Buchenschonung, bis sie auf einen Wildwechsel traf und diesem bis zu einer verborgenen Lichtung folgte. Am Rand der Lichtung, umfangen von zwei zwillingsgleichen Buchen, entdeckte sie einen Hochsitz. Solide und standfest sah er aus, ein kleines eckiges Hexenhäuschen, das auf einem Gerüst aus dicken Stämmen ruhte und sich mit seinem schrägen Dach bis in die weiten Baumkronen hinein schob. Sie rüttelte prüfend an der Sprossenleiter und kletterte flink nach oben. Der Eingang befand sich im Boden, eine quadratische Luke, die von einer Sperrholzplatte verschlossen war. Die Platte klemmte, und es dauerte eine Weile, bis Kati sie zur Hälfte aufgedrückt hatte. Sie steckte den Rucksack hindurch und zwängte sich hinterher. Kaum war sie drin, schob sie die Luke wieder zu. Es war ein behaglicher Ort. Alles eng und klein und aus Holz wie in einer Sauna, nur fehlte die Wärme, wie sie bemerkte, nachdem sie sich in der Ecke zusammen gekauert hatte. Falls der Jäger käme, säße sie in der Falle. Aber sie war hundemüde und wollte nur noch schlafen.
    Hinter dem schmalen Fensterband, das sich rings um die Wände herum spannte, zog die Nacht auf.
    Als sich die Mondscheibe über dem Saum der Baumkronen erhob, waren sie mit einem Mal da, die lauernden Augen; klar und überdeutlich und jede Einzelheit offen legend, die blassblaue Iris, die von roten Adern durchzogenen Augäpfel. Alles das musste sie ansehen, trotz der Finsternis um sie herum. Und ob sie selbst die Augen schloss oder offen hielt: der Tote ließ ihr keine Ruhe. Sie schrie ihn an. Sie weinte. Sie brüllte. Sie fluchte. Sie schwieg.
    Er blieb.
     

38
     
    Hella beendete die Longenarbeit und führte Fadista in den Paddock zurück. Er war kaum ins Schwitzen geraten, bis auf einen Bereich an Hals und Brust, den sie mit einem alten Handtuch trocken rieb. Er ließ die Behandlung tapfer über sich ergehen und erhielt zur Belohnung eine Möhre, von denen er nicht genug bekommen konnte, seit er verstanden hatte, dass die Wurzeln essbar waren. Nun hatte sie Zeit zum Frühstücken, bevor sie die Pferde hinaus bringen würde. Auf dem Weg zum Haus fiel ihr auf, dass Swantjes Golf nicht auf dem Parkplatz stand. Wohin mochte sie so früh unterwegs sein?
    Hella stieg die Stufen zur Haustür hinauf und zog die Wochenendausgabe der Deister-und-Weserzeitung aus dem Briefkasten. Im Flur wechselte sie die Arbeitsschuhe gegen offene Sandalen, legte die gefütterte Jacke ab und ging in die Küche, um den Kaffee aufzusetzen. Frühmorgens genügte ihr ein Tee nicht. Der Ofen hatte den Raum gut eingeheizt. Hella legte die Zeitung auf den Tisch. Auf der Titelseite fand sich kein Hinweis auf den Jeep, und sie rechnete nicht damit, dass die Meldung den Verlag vor Redaktionsschluss erreicht hatte.
    Noch im Stehen schlug sie die Zeitung auf. Zu ihrer Überraschung gab es doch eine Nachricht über den Brand und zwar auf der zweiten Seite. Als ob man dafür in letzter Sekunde Platz geschaffen hätte, befand sich hier ein Foto des ausgebrannten Wracks und darunter stand eine knappe Meldung über Ort und Zeitpunkt des grausigen Geschehens. Die Polizei, so hieß es, hätte eine Sonderkommission gebildet. Hella setzte sich unwillkürlich, als sie den weiteren Text las. Der Mann war – nach derzeitigem Stand der Ermittlungen – erschossen worden. Ob mit der Pistole, deren verkohlte Reste man im Wagen gefunden hatte, oder einer anderen Waffe, wäre von Spezialisten zu klären. Vermutlich hätte der Täter den Wagen in Brand gesetzt, um die Spuren zu verwischen. Ein Mord im Hamelner Stadtwald! Die Identität des Toten stand noch nicht fest. Es könnte sich um den Halter des Wagens, Modell Jeep Wrangler, handeln: Jan van Heeren, deutscher Staatsbürger, gebürtiger Hamburger, zurzeit wohnhaft in Amsterdam. Wer Angaben dazu machen könnte ... und so weiter.
    Das Aroma von frischem Kaffee
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