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Flammenpferd

Flammenpferd

Titel: Flammenpferd
Autoren: Susanne Kronenberg
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Lächeln wurde noch breiter. „Er wird sich damit abfinden müssen.“ Ernsthaft fügte sie hinzu: „Das Leben ist zu kostbar, um immer vernünftig zu sein.“
     

42
    Julian erschien am frühen Nachmittag, zehn Minuten vor der verabredeten Zeit. Er trug Jeans, einen weiten Wollpullover und robuste Lederschuhe. Die Sonne schien von einem strahlenden Himmel, und die Luft roch nach Frühling.
    Sie trat ihm entgegen. „Danke, dass du gekommen bist.“
    Dafür gebe es zwei gewichtige Gründe, erklärte er mit einem ironischen Lächeln. Es wäre schließlich sein Job. Außerdem sollte sie mit ihren geprellten Rippen nicht schaufeln.
    „Es ist nicht das Graben, das mir schwer fällt“, erklärte sie.
    „Ich weiß“, sagte er.
    Sie gingen zur Scheune hinüber. Er schob die leere Schubkarre und stellte sie vor dem Tor ab. Ganz langsam und ohne den Oberkörper heftiger zu bewegen, drückte Hella die klemmende Tür auf.
    Sie trat an die Leiter heran und deutete auf den Heuboden hinauf. „Dort oben!“
    Er bat sie, unten zu warten, und kletterte die Sprossen hoch. Sie lauschte seinen Schritte im raschelnden Stroh und gab ihm halblaute Tipps zur Richtung, bis Julian herunter rief, er hätte ihn gefunden. Plastikfolie knisterte, und kurz darauf stieg er, mit einem schwarzen Sack in der Hand, die Leiter wieder herunter. Sie war ihm dankbar, dass er keine Bemerkung darüber machte und keinen Ekel zeigte oder sonst irgendein Gefühl. Mit gleichmütiger Miene trug er den schweren Sack aus der Scheune heraus und ließ ihn behutsam in der Schubkarre nieder. Er legte Spaten und Schaufel, die Hella bereit gestellt hatte, oben auf, packte die Schubkarrengriffe und folgte Hella, die schweigend am Paddockstall vorbei und auf die Hausweide hinaus ging. Sie trug einen leeren Wassereimer. Die Baumgruppe erschien ihr von weitem wie eine grüne Wand, war längst nicht mehr wintergrau und durchscheinend. Das Bäumchen lag in der Grube, wie Hella es – eine Ewigkeit schien es her – verstört und erschrocken zurückgelassen hatte. Julian stieg in das Grab hinein und hob das Bäumchen auf. Seine zarten Blätter wirkten gesund und frisch. Die junge Eiche hatte nicht gelitten und sich mit dem Regenwasser begnügt, das sich am Grund gesammelt hatte. Julian nahm den Sack auf.
    „Ich lass ihn da drin“, sagte er ohne eine weitere Erklärung.
    Sie nickte stumm.
    Julian legte den Hund in seinem künstlichen Leichentuch sanft in sein Grab, dann kletterte er hinaus und begann, die Erde hinein zu schaufeln. Hella sah schweigend zu, bis es Zeit war, das Bäumchen einzusetzen.
    „Lass mich das machen“, bat sie und hob es am fingerdicken Stamm auf und setzte es in das Loch, das Julian übrig gelassen hatte.
    Er half ihr, die Erde aufzuschütten. „Was ist mit unserem Abendessen?“
    Hella nickte. „Ich möchte dich einladen.“
    „Heute Abend?“, fragte er gespannt.
    „Heute geht es nicht. Ich habe eine Verabredung mit Sten Johansen.“
    „Verstehe“, sagte Julian knapp.
    „Vielleicht werden Sten und ich Partner“, erklärte sie.
    „Verstehe“, wiederholte Julian, und sein Gesicht wurde unnahbar.
    Hella lächelte. „Nein, du verstehst nicht, Julian. Sten und ich werden vielleicht Geschäftspartner. Wenn wir uns einig werden, steigt er in die Klinik mit ein. Ich brauche dafür einen leitenden Tierarzt. Nur darum geht es.“
    Er antwortete nicht. Er schwieg, bis er die Erde rings um das Bäumchen festgetreten hatte.
    „Der Baum braucht Wasser“, brummte er schließlich.
    „Warum kommst du nicht später zu mir?“, schlug sie vor. „Ich rufe dich an, wenn Sten gegangen ist. Ich koche, und wir reden.“
    Er reichte ihr den Eimer.
    „Du kommst doch?“, fragte sie.
    „Lass uns Wasser holen.“
    Gemeinsam gingen sie an der Hecke vorbei, stiegen über den Zaun und spazierten ein Stück den Feldweg entlang. Ein frischer Wind kam auf. Rauschend strich er durch die Pappeln und brachte das zarte Grün zum Tanzen. Hella blieb stehen und blickte in den Himmel hinauf, der noch immer so blau und frei von dunklen Wolken war. Wenn es trocken blieb, überlegte sie, könnte sie beginnen, die Pferde an das junge Gras zu gewöhnen und sie bald auf die Sommerweiden entlassen. Dann folgte sie Julian, der auf einen Pfad abgebogen war, und stieg zum Hamelufer hinunter, um das Wasser für die Eiche zu schöpfen.
     
     
    E N D E
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