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Flammendes Eis

Flammendes Eis

Titel: Flammendes Eis
Autoren: Clive Cussler , Paul Kemprecos
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Fahrrinne und vorbei an den in Nebel gehüllten Booten. Er befuhr die Strecke zwischen Odessa und Konstantinopel bereits seit vielen Jahren und kannte sie so genau, dass er weder eine Karte noch die Markierungsbojen benötigte, um im richtigen Moment das Ruder zu drehen.
    Die französischen Eigner hatten die Instandhaltung der
Star
jahrelang vorsätzlich vernachlässigt und gehofft, ein kräftiger Sturm würde das Schiff auf den Meeresgrund schicken und ihnen ermöglichen, die Versicherungssumme einzustreichen.
    Aus jedem Speigatt lief wie aus einer blutenden Wunde eine Rostspur den blasigen Rumpf hinab, die Masten und Kräne wiesen unzählige Korrosionsflecke auf, und die merkliche Schlagseite nach backbord war einem Leck in der Bilge zu verdanken. Die altersschwachen Maschinen, deren Generalüberholung ebenfalls längst überfällig war, schnauften asthmatisch vor sich hin, und die ölige schwarze Wolke, die aus dem einzigen Schornstein emporstieg, stank wie Schwefel aus der Unterwelt. Ähnlich einem unheilbar kranken Patienten, der trotz seines zerfressenen Körpers irgendwie am Leben blieb, pflügte die
Star
auch weiterhin durch die Wogen, obwohl man sie eigentlich schon lange als klinisch tot bezeichnen musste.
    Towrow war klar, dass die
Star
das letzte Schiff unter seinem Kommando sein würde. Dennoch bemühte er sich um tadellose Kleidung, polierte jeden Morgen seine dünn besohlten schwarzen Schuhe, trug zwar vergilbte, aber stets saubere weiße Hemden, und legte Wert darauf, dass seine abgewetzte schwarze Hose eine Bügelfalte aufwies. Allerdings hätte nur das kosmetische Geschick eines Einbalsamierers sein Aussehen grundlegend verbessern können. Die viele Arbeit, die schlechte Ernährung und der ewige Schlafmangel hatten ihren Tribut gefordert. Seine hohlen Wangen ließen die lange, rot geäderte Nase nur umso deutlicher hervortreten, und seine Haut war so grau wie Pergament.
    Der Erste Offizier und der Großteil der Mannschaft legten sich wieder schlafen, abgesehen von den Heizern, die Kohle in die Kessel schaufelten. Der Kapitän zündete sich eine starke türkische Zigarette an, erlitt einen Hustenanfall und krümmte sich zusammen. Nachdem er sich wieder gefangen hatte, bemerkte er, dass von irgendwoher kalte Seeluft auf die Brücke strömte. Er hob den Kopf und sah, dass er Gesellschaft bekommen hatte. In dem Durchgang nach draußen stand ein riesiger Mann. Er wurde dramatisch von Nebelfetzen umrahmt.
    Er trat ein und zog die Tür hinter sich zu.
    »Licht«, sagte er mit einer Baritonstimme, die ihn als denjenigen identifizierte, der zuerst an Bord gekommen war.
    Towrow zog an der Schnur der nackten Glühbirne, die von der Decke hing. Der Mann hatte die Kapuze zurückgeschlagen.
    Er war groß, schlank und trug eine weiße Fellmütze, eine so genannte
papakha
, verwegen schief auf dem Kopf. Über den oberen Teil seiner rechten Wange zog sich eine fahle Duellnarbe, seine Haut war von der Eiseskälte gerötet, und in seinem schwarzen Haupt- und Barthaar funkelten kleine Wassertropfen. Seine linke Iris hatte sich aufgrund einer Verletzung oder Krankheit getrübt, und der starre Blick seines gesunden Auges ließ ihn wie einen Zyklopen aussehen.
    Unter dem pelzbesetzten Mantel hingen ein Pistolenholster und ein Säbel an seinem Gürtel. Quer über seine Brust verlief ein Patronengurt, und in der Hand hielt er ein Gewehr. Er war in einen schmutzig grauen Waffenrock gekleidet, und seine Füße steckten in hohen schwarzen Lederstiefeln. Die Uniform und die Aura kaum unterdrückter Gewalt wiesen ihn als Kosaken aus, als Angehörigen der wilden Kriegerkaste, die an den Ufern des Schwarzen Meeres beheimatet war.
    Towrow unterdrückte mühsam seine Abneigung. Die Kosaken waren an der Ermordung seiner Familie beteiligt gewesen, und er ging den streitlustigen Reitern, deren größtes Vergnügen die Verbreitung von Furcht zu sein schien, am liebsten aus dem Weg.
    Der Mann sah sich im Ruderhaus um. »Sind Sie allein?«
    »Da hinten schläft der Erste Offizier«, sagte Towrow und wies mit dem Kopf in die Richtung. »Er ist betrunken und hört nichts.« Er zog die Zigaretten aus der Tasche und bot dem Fremden eine an, aber der winkte ab.
    »Ich bin Major Peter Jakelew«, sagte der Mann. »Sie werden alle meine Anweisungen befolgen, Kapitän Towrow.«
    »Ich stehe zu Ihren Diensten, Major, vertrauen Sie mir.«
    »Ich traue
niemandem
.« Er kam näher und stieß die Worte zornig hervor. »Weder den Weißen Russen noch den
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