Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flammendes Eis

Flammendes Eis

Titel: Flammendes Eis
Autoren: Clive Cussler , Paul Kemprecos
Vom Netzwerk:
Kapitän. Towrow spürte, dass der Fremde ihn genau musterte, auch wenn er das Gesicht des anderen nicht sehen konnte. Dann ertönte aus dem Dunkel unter der Kapuze eine tiefe männliche Stimme.
    »Wo sind die Passagierunterkünfte?«
    »Ich zeige Ihnen den Weg«, sagte Towrow.
    »Nein,
beschreiben
Sie ihn mir.«
    »Wie Sie wünschen. Die Kabinen liegen ein Deck höher. Die Leiter ist da drüben.«
    »Was macht Ihre Besatzung?«
    »Die Männer befinden sich alle in ihren Kojen.«
    »Sorgen Sie dafür, dass das auch so bleibt. Warten Sie hier.«
    Der Mann ging leise zu der Leiter und stieg zu den Offiziersquartieren hinauf, ein Deck unterhalb des Ruderhauses.
    Einige Minuten später kehrte er von seiner Besichtigungsrunde zurück. »Besser als ein Stall, aber nicht viel«, sagte er. »Wir kommen an Bord. Treten Sie zurück. Dorthin.« Er deutete in Richtung Bug und begab sich wieder auf den Kai.
    Towrow war verärgert darüber, dass jemand ihm auf seinem eigenen Schiff Anweisungen erteilte, aber der Gedanke an das Geld, das in dem Tresor in seiner Kabine lag, machte die Sache erträglicher. Außerdem war er klug genug, keinen Streit mit einem Mann anzufangen, der ihn um Haupteslänge überragte, also begab er sich wie befohlen zum Bug.
    Die Leute vom Kai kamen im Gänsemarsch an Bord und gingen in ihre Quartiere. Towrow hörte die verschlafene Stimme eines kleinen Kindes, das sofort von einem Erwachsenen aufgefordert wurde, still zu sein. Andere folgten und schleppten Kisten oder große Koffer auf das Schiff. Es schien sich um sehr schweres Gepäck zu handeln, denn die Männer keuchten und stießen leise Flüche aus. Als letzte Person kam Federoff die steile Gangway hinauf und rang infolge der ungewohnten Anstrengung nach Atem.
    »So, mein lieber Freund«, sagte er vergnügt und schlug die behandschuhten Hände aneinander, um sich zu wärmen. »Das wäre alles. Sind Sie bereit?«
    »Wir brechen auf, sobald Sie es wünschen.«
    »Machen Sie sich sofort auf den Weg. Hier ist das restliche Geld.« Er reichte Towrow einen Umschlag, in dem druckfrische Banknoten knisterten. Dann schlang er völlig unerwartet die Arme um den Kapitän und küsste ihn auf beide Wangen.
    »Mütterchen Russland kann Ihnen gar nicht genug dafür danken«, flüsterte er. »Heute Nacht schreiben Sie Geschichte.«
    Er ließ den verblüfften Towrow wieder los und stieg den Laufgang hinunter. Kurz darauf setzte der Lastwagen sich in Bewegung und verschwand in der Finsternis.
    Der Kapitän hielt sich den Umschlag unter die Nase und sog den Geruch der Rubel ein, als wäre es Rosenduft. Dann verstaute er das Geld in seiner Manteltasche, kletterte zur Brücke hinauf und betrat den Kartenraum hinter dem Ruderhaus. Von dort aus gelangte er durch eine Tür in seine Kabine, weckte Sergei, den Ersten Offizier, und wies ihn an, die Mannschaft wachzurütteln und vom Kai abzulegen. Der junge Georgier murmelte etwas Unverständliches vor sich hin und machte sich daran, den Befehl auszuführen.
    Wenig später torkelte eine Hand voll armseliger Gestalten in verschiedenen Stadien der Nüchternheit hinaus aufs Deck.
    Towrow sah vom Ruderhaus dabei zu, wie sie die Leinen losmachten und die Gangway einholten. Insgesamt befanden sich zwölf Besatzungsmitglieder an Bord, einschließlich zweier Männer, die er noch in letzter Minute als Heizer für den »Schrottplatz« angeheuert hatte, wie der Maschinenraum allgemein genannt wurde. Der Erste Maschinist war ein erfahrener Seemann, der dem Kapitän seit langem die Treue hielt. Er schwang seine Ölkanne wie einen Zauberstab und hauchte dem Berg Altmetall, der als Antrieb der
Star
diente, immer wieder neues Leben ein. Die Kessel waren vorgeheizt und bauten nun im Rahmen ihrer Möglichkeiten Dampfdruck auf.
    Towrow trat ans Ruder, der Maschinentelegraph klingelte, und das Schiff verließ den Anlegeplatz. Während der alte Frachter langsam durch das neblige Hafenbecken glitt, bekreuzigten sich all jene, die ihn zufällig dabei beobachteten, und schickten uralte Stoßgebete gen Himmel, um böse Geister abzuwehren. Die
Odessa Star
schien über dem Wasser zu schweben, gleich einem Gespensterschiff, das dazu verdammt war, die Weltmeere nach ertrunkenen Seeleuten abzusuchen und sie in die Mannschaft aufzunehmen. Ihre Topplichter waren in einen unheimlichen Schimmer gehüllt, als würde Elmsfeuer in der Takelage tanzen.
    Mühelos wie ein Delphin, der seinem natürlichen Peilsystem folgt, steuerte der Kapitän durch die gewundene
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher