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Flammenbucht

Flammenbucht

Titel: Flammenbucht
Autoren: Markolf Hoffmann
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was sie für unser Leben bedeutet.« Für einen Moment hielt Tene-Usfar inne. »Aber woher wußtet Ihr von den Veränderungen der Sphäre? Wie konntet Ihr wissen, daß die Goldei den Bann des Nordmeers überwunden haben?«
    Das Gesicht der Priesterin blieb unbeweglich.
    Ein Geräusch schreckte Tene-Usfar auf. Er fuhr herum, starrte zum Mittelpunkt der Schale der Träumer. Die Dampfsäule über dem Schrein hatte sich blutig verfärbt; nun begann sie zu zerfasern, zu verwehen. Unruhig flackerten die Kerzen am Grund der Schale, als wollten sie dem Treiben Einhalt gebieten. Doch der rote Dunst sank auf sie nieder, erstickte die Flammen.
    Tene-Usfar erbleichte. »Die Quelle… sie bricht aus ihren Grenzen!« Entsetzt blickte er die Priester in an. »Ich muß sie in unseren Bann zwingen, sonst ist Harsas verloren! Laßt mich mit den Zauberern allein! Nur wir können sie aufhalten!«
    Sai'Kanee winkte zwei Bena-Kubith-Mönche herbei. Dann deutete sie auf den Schrein, der im Dampf zu verschwinden drohte. Die Mönche legten ihre Speere beiseite, näherten sich dem Schrein.
    »Was in aller Welt tut ihr da?« schrie der Großmeister auf. »Laßt mich zur Quelle! Ich muß verhindern, daß sie sich losreißt! Wenn sie die Freiheit erlangt, werden die Goldei…«
    Sai'Kanee packte ihn an der Schulter. »Der Kampf um Harsas ist verloren. Ihr habt die Stadt dem Untergang preisgegeben. Wir müssen die Quelle aufgeben.«
    Wütend versuchte sich der Greis zu befreien. »Niemals! Sie gehört der Calindor! Niemand soll es wagen, uns die Schale der Träumer fortzunehmen! Durtha Slargo hat sie uns vermacht!«
    Sai'Kanees Griff blieb eisern. »Er hat Euch betrogen, alter Mann. Der Weltenwanderer hat Euch seine Macht für begrenzte Zeit verliehen; nun holt er sie sich zurück.« Sie hatte die letzten Worte voller Verachtung gesprochen. »Ich kam nicht hierher, um mit Euch zu streiten, sondern um die Reliquien in Sicherheit zu bringen. Sie haben sich lange genug in den Händen der Loge befunden. Ich werde sie an mich nehmen - auf Befehl der Königin!« Die Bena-Kubith-Mönche hatten den Schrein erreicht. Vorsichtig knieten sie sich vor ihm zu Boden. Dann holten sie jeder ein Paar schwarzer Handschuhe unter ihren Gewändern hervor, streiften sie sich über. »Das ist Wahnsinn!« keuchte Tene-Usfar. »Die Quelle wird diese Männer in Stücke reißen! Ihr schickt sie in den sicheren Tod.«
    Der rote Dampf wirbelte auf, schlug den Bena-Kubith ins Gesicht. Sie beachteten ihn nicht, packten den Deckel des Schreins, zogen ihn zur Seite fort.
    »Sie wird uns alle vernichten!« kreischte der Großmeister. »Holt Eure Männer zurück, ich beschwöre Euch!« Vorsichtig griff einer der Mönche in das Innere des Schreins. Als er seine Hand hervorzog, umschloß sie einen länglichen, schwarzen Gegenstand. Er wirkte spröde, glich einem zerbröckelnden Kohlenstück. Der Mönch entnahm dem Schrein zwei weitere, ähnlich beschaffene Gebilde und reichte sie seinem Begleiter, der sie behutsam in ein Tuch wickelte.
    »Die Reliquien«, stieß Tene-Usfar hervor. »Der heilige Stab des Durtha Slargo…« Seine Finger krallten sich in den Unterarm der Priesterin. »Was versprecht Ihr Euch von diesem Diebstahl? Ihr werdet bitter dafür bezahlen!« Sai'Kanee würdigte ihn keines Blickes. »Der Stab wird uns helfen, den Kampf um die Sphäre zu entscheiden - ein Kampf, in dem Eure Loge keine Rolle mehr spielt.« Sanft schob sie den Zauberer beiseite. Er starrte sie an; das goldgeschminkte Gesicht, die unergründlichen Augen der Priesterin. Nun erst bemerkte er das unscheinbare Amulett an ihrem Hals: eine goldene Mondsichel.
    »Ihr dient dem Blender«, entfuhr es ihm, »dem Verhüller, dem Herrn der Schatten!« Er wich vor ihr zurück. »Die alten Legenden sind wahr!«
    »Manche von ihnen sind es«, gab sie zurück, »doch den meisten sollten wir Menschen nicht trauen. Sie sind Erfindungen des Weltenwanderers. Er hat im Lauf der Jahrhunderte ein Netz der Lügen gesponnen, das nur schwer zu zerreißen ist.«
    Der Zauberer zitterte. »Ich werde den Raub der Reliquien nicht zulassen!«
    Sai'Kanee wandte sich von ihm ab, gab den Mönchen ein Zeichen, sich zurückzuziehen. »Ihr werdet mich kaum daran hindern können, Großmeister. Ihr habt keine Macht mehr über die Quelle. Und die Goldei nahen; bald sind sie bei Euch und werden Euch strafen für den Frevel, den Eure Loge an Ihnen beging.«
    Tene-Usfar brüllte auf, wollte sich mit geballten Fäusten auf die Priesterin
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