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Flammenbucht

Flammenbucht

Titel: Flammenbucht
Autoren: Markolf Hoffmann
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zusammen. Allein der Großmeister verharrte inmitten der Schale der Träumer.
    »Ihr geht zu weit, Sai'Kanee«, sagte er mit fester Stimme, sichtlich bemüht, keine Furcht zu zeigen. »Auch wenn Ihr die höchste Geweihte des Kubeth seid, habt Ihr nicht das Recht, dieses Ritual zu stören. Unsere Loge steht unter dem Schutz der Königin. Sie selbst befahl mir, nach Harsas zu gehen und die Sphäre gegen die Goldei zu verteidigen.«
    »Königin Inthara hat es sich anders überlegt«, erwiderte die Priesterin. Ihre Gesichtszüge wirkten wie eingefroren unter der goldenen Schminke. »Ihr habt der Gottgleichen zu viele Versprechungen gemacht, die Ihr nicht halten konntet. Sie traut Eurer Loge nicht mehr zu, den Verfall der Sphäre aufzuhalten.« Tene-Usfar funkelte sie an. »Dann habt Ihr sie aufgehetzt, Sai'Kanee! Inthara hat meinen Rat stets hochgeschätzt; sie weiß, daß nur die Calindor ein Vordringen der Echsen verhindern kann.« Sai'Kanee musterte den Zauberer abschätzig. »Euren vollmundigen Worten sind keine Taten gefolgt. Seit der Krieg gegen die Goldei begann, wird die Sphäre über Arphat schwächer; all Eure Zauber, die unser Heer im Osten unterstützen sollten, haben kläglich versagt.«
    »Was wißt Ihr schon von der Sphäre, Weib!« Tene-Usfar wischte sich den Schweiß von der Stirn, und die aufgemalten Schutzrunen zerronnen unter seiner Hand. »Die Macht der Echsen ist groß, doch unsere Verteidigung steht. Bisher konnten wir sämtliche Angriffe auf die Sphäre abwehren.«
    Sai'Kanee schien unbeeindruckt. »Das ist eine Lüge, und Ihr wißt es. Die Calindor ist der Magie der Goldei nicht gewachsen.« Sie hob die Stimme, damit auch die übrigen Zauberer ihre Worte verstehen konnten. »In diesem Augenblick nähern sich ihre Schiffe der Bucht von Harsas. Sie haben den Bann des Nordmeers gebrochen, der unsere Gewässer vor ihrem Eindringen schützen sollte.«
    »Unsinn!« fauchte Tene-Usfar. »Niemand kann diesen Zauber bezwingen. Die Schale der Träumer hält den Bann aufrecht.«
    »Seid Ihr so blind, alter Mann? Wollt Ihr nicht sehen, was Ihr im Innersten längst ahnt?« Sie wies auf die Dampfsäule.
    »Niemand kennt die Schale der Träumer besser als Ihr. Seht in ihr Herz! Befragt sie, und Ihr werdet begreifen, wie vergeblich Eure Rituale waren.«
    Verunsichert wandte sich Tene-Usfar der Quelle zu. Schloß die Augen. Atmete tief durch. Schmeckte den schwefligen Hauch auf der Zunge. Spürte ihn auf der Haut, spürte ihn in seine Poren dringen; und all dies war ihm vertraut, seit vielen Jahrzehnten schon, seit er über die Schale der Träumer gebot. Sein Körper schien in der Sphäre aufzugehen, sich aufzulösen in den Schwaden der Quelle, stark und doch bezwungen, wild und doch gezähmt, ihm zu Willen, ihm Untertan; nichts trübte diese Einheit, nichts…
    Dann aber erkannte er die Täuschung. Sah den Riß, den die Eindringlinge in die Sphäre geschlagen hatten, sah den Schleier, in dessen Schutz sie sich verbargen. Sah, wie die Quelle sich aufbäumte, längst bereit, ihre Ketten zu sprengen, die Hülle zu zerfetzen, die ihr von den Zauberern aufgezwungen worden war. Spürte die unbändige Kraft, mit der sie sich den Eindringlingen entgegenwarf - nicht um sie zu zerstören, sondern um sie zu begrüßen. Er sah.
    ER SAH!
    Tene-Usfar taumelte. »Die Schiffe…ja, nun erkenne ich sie!« Seine Stimme klang heiser. »Golden ihr Bug und golden die Segel… sie kommen! Sie kommen!« Mit flackernden Augen starrte er die Kubeth-Priesterin an. »Aber wie ist das möglich?«
    »Die Goldei sind Meister der Tarnung«, antwortete Sai'Kanee. »Doch sie können nur dort siegreich sein, wo die Angst bereits den Verstand besiegt hat. Ihr habt Euch an die überkommenen Traditionen Eurer Loge geklammert, obwohl Ihr wußtet, wie sehr sich die Sphäre verändert hat. Dachtet Ihr tatsächlich, Ihr könntet in einer Zeit des Wandels an überholten Ritualen festhalten, dem Feind mit schartig gewordenen Waffen entgegentreten?«
    Zorn erfaßte den Zauberer. »Wollt Ihr mir unterstellen, ich hätte unser Land offenen Auges ins Verderben rennen lassen? Ich tat alles, um Arphat zu verteidigen! Tag für Tag kämpfte ich darum, die Sphäre vor den Echsen zu schützen…«
    »…und Tag für Tag schwand Eure Macht«, erwiderte Sai'Kanee. »Nun ist sie gänzlich dahin. Die Sphäre ist Euch fremd geworden, alter Mann!«
    »Schweigt von der Sphäre! Ihr habt sie nie gesehen, nicht ihre Wunder, nicht ihre Schrecken. Ihr könnt nicht ermessen,
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