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Flammenbucht

Flammenbucht

Titel: Flammenbucht
Autoren: Markolf Hoffmann
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herfallen.«
    Die Alte winkte mürrisch ab. »Darüber weiß ich nichts. Ich kenne keine Legenden, die von diesen Wesen handeln. Doch ich kann euch von Durtha Slargo erzählen, von dem Tag, an dem er unsere Stadt von dem Fluch der Götter erlöste.«
    Die Menschen rückten dichter an sie heran.
    »Als Durtha Slargo vor vielen tausend Jahren nach Harsas kam«, begann die alte Frau und wies auf das Wasser, »führten die Bewohner der Stadt ihn zu dieser felsigen Bucht; denn hier lebte ein Ungeheuer, eine Seeschlange, die sich am Meeresgrund verborgen hielt.« Gebannt lauschten die Zuhörer ihren Worten. »Das Untier kam nur selten an die Wasseroberfläche, doch dann war seine Gier groß. Ohne Vorwarnung tauchte es auf, und sein giftiger Hauch legte sich über die Stadt. Wer ihn einatmete, sank tot zu Boden. Die Schlange aber ergriff die Leichen und schleifte sie ins Meer. Dann war das Wasser viele Tage lang blutrot.«
    Die Blicke der Menschen wanderten zum Wasser zurück, wo noch immer die Schwefelblasen aufstiegen. Sie schillerten im rötlichen Sonnenlicht, und für einen Moment schien tatsächlich Blut auf den Wellen zu tanzen, emporgespült aus der Tiefe der Bucht.
    »Durtha Slargo sagte den Einwohnern von Harsas seine Hilfe zu«, fuhr die Frau fort. Sie zeigte auf einen dunklen Punkt, der inmitten der aufsteigenden Dämpfe zu erkennen war; eine steinige Insel vor der Küste, die durch eine Brücke mit dem Festland verbunden war. »Er ließ sich in einem Boot zum Gelben Felsen hinüberbringen, und er befahl den Menschen, ihn dort allein zu lassen und das Wasser zu meiden, denn er fürchtete den Zorn des Untiers. So verließen die Menschen Harsas für sieben Tage. Durtha Slargo aber ver- harrte auf dem Gelben Felsen, mit nichts weiter bewaffnet als seinem Wanderstab und dem unerschütterlichen Willen, das Ungeheuer zu besiegen.« Sie senkte die Stimme, so daß die Zuhörer sich vorbeugen mußten, um ihre Worte zu verstehen. »Vier Tage und vier Nächte lang wartete Durtha Slargo auf die Schlange; er schlief nicht und aß nicht und ruhte nicht. Dann aber, am fünften Tag, wurde die Wasseroberfläche von einem gewaltigen Strudel aufgewühlt, und aus der Tiefe der Bucht erhob sich das Ungetüm, hoch wie ein Fels, eine riesige Schlange mit gelben Schuppen und messerscharfen Reißzähnen!«
    Das Brodeln des Wassers wurde stärker. Fontänen aus Dampf zischten empor. Der faulige Geruch in der Luft wurde mit einemmal so stark, daß einige Anwesende husten mußten.
    »So focht Durtha Slargo mit dem Untier von Harsas«, wisperte die Frau, »drei Tage und drei Nächte lang. Das Gebrüll der Schlange war in ganz Arphat zu hören, und das Nordmeer tobte, als wollte es selbst an dem Kampf teilnehmen. Am Morgen des achten Tages gellte schließlich ein Todesschrei durch die Bucht von Harsas. Durtha Slargo hatte der Schlange mit seinem Stab den Kopf zertrümmert.« Ihre Worte gingen fast unter im Zischen der zerplatzenden Blasen. »So sank ihr Leib zurück in das Wasser. Da liegt er noch immer und verwest auf dem Meeresgrund. Ihm entsteigt jener Dampf, den ihr dort seht und einatmet und der allein durch die Macht Durtha Slargos seines Giftes beraubt wurde.« Sie rieb sich die alten Hände, sichtlich zufrieden über die Furcht ihrer Zuhörer. »So verdankt Harsas jenem Zauberer, den die Götter nach Arphat sandten, seinen Reichtum. Bis zum heutigen Tag zehren wir von Durtha Slargos mutiger Tat und sind ihm, dem Bezwinger der Quellen, zu ewigem Dank verpflichtet.«
    Sie hielt inne, denn Lärm drang aus der Stadt an ihr Ohr. Auf der Straße, die sich oberhalb der Treppen erstreckte, war ein Trupp bewaffneter Mönche erschienen. Ihre goldbestickten Überwürfe wiesen sie als BenaKubith aus, als Krieger des Todesgottes Kubeth. Nur selten waren Bena-Kubith in der Stadt zu sehen; sie hielten sich meist im verborgenen, wachten über die Grabanlagen und überführten gelegentlich die Leichname hochgestellter Priester in die Hauptstadt Praa. Diesmal schienen sie aus einem anderen Grund nach Harsas gekommen zu sein, denn sie waren schwer gerüstet, trugen Lederhelme, Schilde, schwarz glänzende Speere. An ihrer Spitze schritt eine Kubeth-Priesterin, das Gesicht mit goldener Schminke verziert. Sie führte die Mönche auf der Straße gen Norden, wo sich in schwefligen Schwaden der Gelbe Felsen verbarg.
    Unruhe erfaßte die Menschen auf den Treppen. Das Erscheinen der Mönche konnte nichts Gutes verheißen. Die Krieger des Todesgottes schwärmten
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