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Flammen im Sand

Flammen im Sand

Titel: Flammen im Sand
Autoren: Gisa Pauly
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gelangweilter und schließlich
ausgesprochen überdrüssig. Erik blickte sich immer wieder um in der Hoffnung,
jemand würde zu ihnen kommen und sie auffordern, in einem der Bauwagen Schutz
vor dem Wind zu suchen, wo es eine Kaffeemaschine gab, die man ihnen gern zur
Verfügung stellen wollte. Aber leider geschah nichts dergleichen. Sie froren,
schwiegen, machten ein paar Schritte hin und her, froren trotzdem und schwiegen
weiter.
    Erst nachdem das Skelett von Kopf bis Fuß zu sehen war, fragte Erik:
»Wie lange mag das schon hier liegen?«
    Kommissar Vetterich zuckte mit den Schultern. »Schon lange, so viel
steht fest. Es gibt keinen Geruch mehr und auch kein weiches Gewebe.«
    Â»Mann oder Frau?«
    Â»Das ist Dr. Hillmots Aufgabe«, antwortete Vetterich. »Es ist das
Skelett eines Erwachsenen, nur so viel kann ich sagen.«
    Erik machte einen langen Hals, während Sören den Abstand zu dem
Skelett so groß wie möglich hielt. »Wie kommt es, dass die Kleidung noch
erhalten ist?«, fragte Erik und wies auf die dunklen Fetzen, die das Skelett umhüllten.
    Â»Baumwolle«, entgegnete Vetterich. »Die braucht ungefähr fünf Jahre,
bis sie verrottet. Jeans und Baumwollhemd würde ich sagen. Wenn das stimmt, ist
die Leiche vermutlich im Sommer verscharrt worden.«
    Â»Vor wie vielen Jahren?«
    Â»Habe ich doch gesagt! Fünf Jahre ungefähr! Die Kleidung ist noch
nicht vollständig verrottet. Fünf Jahre müssten so ungefähr hinkommen.«
    Erik stöhnte. »Aber es können auch sechs Jahre sein?«
    Â»Klar! Auch vier!«
    In diesem Moment traf Dr. Hillmot ein. Der dicke Rechtsmediziner
stöhnte bei jedem Schritt und beklagte sich, wann immer sich jemand fand, der
sich seine Klagen anhörte, dass seine Aufgaben fast immer mit körperlichen
Anstrengungen einhergingen. Und ein ständiges Ärgernis war es, dass sein Büro
im ersten Stockwerk lag und das Gebäude der Gerichtsmedizin keinen Aufzug
besaß.
    Sein Überdruss wich allerdings, als er vor dem Erdloch erschien, an
dessen Grund das mittlerweile freigelegte Skelett zu erkennen war. Plötzlich
erschien in seiner Miene etwas, das daran erinnerte, warum er sich diesen Beruf
ausgesucht hatte: Neugier! Selbst die Aussicht, in die Grube zu steigen, um
seine ersten Untersuchungen an dem Skelett vornehmen zu können, schien ihn
nicht zu schrecken. Dass Erik ihm den Vorschlag machte, es bei einem groben
Überblick zu belassen und alle weiteren Untersuchungen in der Pathologie
vorzunehmen, gefiel ihm dennoch.
    Â»Mann oder Frau?«, fragte Erik erneut.
    Dr. Hillmot schüttelte den Kopf. »Dafür muss ich das
Skelett auf dem Tisch haben.«
    Â»Sind Verletzungen zu erkennen?«
    Wieder schüttelte Dr. Hillmot den Kopf. »Auf den
ersten Blick nicht.« Er wandte sich an Vetterich. »Schaffen Sie mir diesen
Kunden in die Pathologie. Aber schön vorsichtig!«
    Vetterich brummte etwas, was so klang wie: »Sie mich auch!« Er
hasste es, wenn sich jemand mit Ratschlägen oder auch nur mit gut gemeinten
Hinweisen in seine Arbeit einmischte. Doch immerhin verstieg er sich zu der
Freundlichkeit, Erik mitzuteilen, dass er nach dem Abtransport der Leiche den
Boden des Grabes und seine Umgebung genauer untersuchen würde. Damit war alles
gesagt und getan, was notwendig war. Vetterich, der seit vielen Jahren mit Erik
zusammenarbeitete, war noch nie auf die Idee gekommen, ein privates Wort mit
ihm zu wechseln oder gar eine Unterhaltung zu beginnen.
    Gerade wollte Erik sich auf den Weg zu seinem Auto machen, da sah er
die Frau. Sie stand in der Nähe der Bauwagen, in denen sich zurzeit niemand
aufhielt. Sehr aufrecht, als hätte sie sich auf die Zehenspitzen gehoben.
Angespannt blickte sie zu ihnen herüber, das war sogar auf die Entfernung zu
erkennen. Sie duckte sich nicht in ihren warmen Mantel, hielt nicht ihre Mütze
fest oder ihren Schal zusammen und trat auch nicht frierend von einem Bein aufs
andere.
    Â»Sehen Sie die Frau dahinten?«, fragte Erik seinen Assistenten. »Was
macht die hier?«
    Â»Eine Neugierige«, antwortete Sören und zeigte zur Straße, wo sich
viele Schaulustige versammelt hatten, die von Vetterichs Leuten daran gehindert
wurden, sich der Fundstelle zu nähern. »Was sonst?« Er kniff plötzlich die
Augen zusammen. Nachdenklich folgte sein Blick der dunkel gekleideten Frau, die
nun mit großen
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