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Flamingos im Schnee

Flamingos im Schnee

Titel: Flamingos im Schnee
Autoren: Wendy Wunder
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Kraft, schwamm los.
    Cam kreischte. »Ich hoffe, du siehst das, Lily!«, rief sie und ließ sich etwa zwanzig Meter weit von dem Delfin ziehen, ehe sie losließ. Sie wollte nicht in die Leere des offenen Meeres hinausgezogen werden.
    Als sie zu Asher zurückschwamm, hoffte sie auf ein Zei chen, irgendeine Bestätigung dafür, dass Lilys Leben nun vollendet war. Sie hatte sich an endlose Sonnenuntergänge, nächtliche Regenbogen und Flamingos im Schnee gewöhnt und ihre Meinung über die Wahrscheinlichkeit von Wundern still und heimlich geändert. Beinahe rechnete sie jetzt schon mit ihnen.
    Sie wartete auf einen Blitz in der Ferne, eine Flutwelle, irgendetwas Spektakuläres und Eindeutiges. Doch in dieser Nacht blieben die himmelzerreißenden Wunder anscheinend aus. Sie glaubte, einen zart gehauchten, flüchtigen Kuss an ihrer Wange zu spüren und dann ein kühles Lüftchen, woraus sie schloss, dass Lily diese Welt nun endgültig verlassen hatte.
    Ashers Gesicht wurde auf einmal ernst, geradezu düster, als er auf den Anlegesteg zufuhr. Cam kitzelte ihn und wollte ihn zum Lachen bringen. »Deine Mundwinkel zucken, ich seh’s genau.« Seine Stimmung verwirrte sie. Er warf scheppernd Sachen durch die Gegend, als er das Boot zum Anlegen bereit machte, und dann sah sie es endlich. Am Kai, unter dem großen rot-weißen Schild mit der Aufschrift S MITTY’S L OBSTER P OUND, saß eine dünne Blondine auf einem Stapel Hummerfallen und wartete mit dem Fuß wippend auf die Rückkehr des Bootes.
    »Scheiße«, sagte Asher.
    Dem individuellen Nummernschild ihres Mustangs zufolge hieß sie »Marlene«. Sie war offenbar zu alt, als dass ihre Mutter den Katalog von Land’s End als Namensfindungsbuch für Babys hätte benutzen können, und sie war die Frau aus Ashers Jeep in jener Nacht.
    Asher sah Cam nicht an, als er mit gesenktem Kopf und den Händen in den Hosentaschen wie ein schuldbewusster kleiner Junge in Erwartung einer Strafpredigt von Bord ging. Er hielt auf Marlene zu, und Cams Finger wurden taub. Endlich drehte er sich noch einmal um und sagte: »Es tut mir leid. Gib mir eine Minute Zeit, ja?«
    Cams Gesicht brannte vor Demütigung, vor Traurig keit und von der Einsicht, dass es in der Wirklichkeit keinen rechtmäßigen Platz für ihre Liebe gab.
    Sie stieg in Cumulus und schaltete die Heizung an, um die Kälte aus ihren Knochen zu vertreiben. Fünf Minuten später redete Marlene in ihrem Mustang immer noch auf Asher ein, der schweigend und passiv danebensaß. Das würde noch eine Weile dauern.
    Cam fuhr aus der Einfahrt zum Bootshafen heraus und tat so, als würde sie mit dem aufgekommenen Dunst verschmelzen. Unsichtbar, unbesiegbar und allein.

S ECHSUNDDREISSIG
    Cam erwachte mit noch schlimmerem Fieber. Sie hatte Halsschmerzen, ihre rechte Seite tat weh, und ihr Magen fühlte sich an, als wäre er mit Zement gefüllt. Sie wusste, dass sie eigentlich ins Krankenhaus musste, aber sie wusste auch, dass sie diesmal nicht lebend herauskommen würde.
    Nur mit Mühe schaffte sie es die Treppe hinunter und in die Küche, wo Perry an der Kücheninsel saß und ein Buch las.
    »Ich dachte, du bist bei Asher«, sagte Perry, als Cam den Kühlschrank öffnete und nach etwas suchte, das sie nicht zum Kotzen brachte.
    »Nee.«
    »Warum bist du nicht bei Asher?«
    »Ich muss nicht rund um die Uhr mit ihm zusammen sein, Perry.«
    »Habt ihr euch getrennt?«
    »Meine Güte, Perry! Nein, okay? Ich möchte nur ein Glas Orangensaft trinken, was ich sehr gut auch ohne Asher kann.«
    In dem Moment betrat Asher die Küche, packte Cam von hinten und nahm sie in den Schwitzkasten. »Nein, kannst du nicht. Du brauchst mich, um dir ein Glas einzuschenken.«
    »Nein, ganz sicher nicht«, widersprach sie tonlos.
    »Brrr, das ist aber eine kalte Tomatensuppe heute«, sagte er und verdrehte den Hals, um ihr forschend ins Gesicht zu sehen.
    »Ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich das mit der Tomatensuppe nicht mag«, murmelte sie und befreite sich aus seinem Griff.
    Asher richtete sich auf. »Ich bin in Ungnade gefallen, was? Madame will meinen Kopf.«
    »Nein, aber du musst endlich mal kapieren, dass ich dich nicht so sehr brauche, wie du gern gebraucht werden willst.« Cam füllte eine Schüssel mit Cornflakes, die sie nicht zu essen beabsichtigte.
    Perry verschwand mit ihrem Buch ins Wohnzimmer.
    »Gestern schienst du mich noch zu brauchen.«
    »Nein. Ich bin nicht der Typ, der andere braucht«, entgegnete sie und holte die Milch aus dem
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